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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Bei Tobias ist mir das nicht gelungen«, fuhr sie fort. » Er hat eine Tür gefunden, die ich zu schließen vergessen hatte, und ich fing an, ihn gernzuhaben.«
    Und zu brauchen, dachte Bert. Und jetzt ist er nicht mehr da. Er verspürte das Bedürfnis, der Frau die Hand auf die Schulter zu legen, doch er hütete sich davor. Dazu hätte er wissen müssen, ob sie schon gelernt hatte, zwischen Mitgefühl und Mitleid zu unterscheiden.
    Sie drängte tapfer die Tränen zurück und beantwortete seine Fragen.
    Nein. Sie hatte Tobias nichts angemerkt. Er war gewesen wie immer. Er hatte ihr sogar ein Dessert spendiert, das sie so gern mochte.Vielleicht von einem anderen Essen abgezweigt, vielleicht aus seinem eigenen Kühlschrank.
    » Er war nicht der Typ, der sagt: Tu Gutes und sprich darüber. Er bereitete mir immer wieder kleine Freuden, spürte immer, wenn es mir nicht gut ging, und behielt seinen eigenen Kummer für sich.«
    » Kummer?«, fragte Bert.
    » Tobias hatte Probleme, über die er nicht sprach. Aber mir konnte er da nichts vormachen. Wenn man unter einer Krankheit leidet, die einen so massiv beeinträchtigt wie MS , dann schärft sich die Wahrnehmung für solche Dinge.«
    Sie sah an Bert vorbei, als würde sie ihre Worte gar nicht an ihn richten, als führte sie ein Selbstgespräch.
    » Gleichzeitig lernt man zu warten. Mich selbst macht es wütend, wenn Menschen mich hartnäckig mit Fragen belästigen oder mir Gefühle unterstellen, die sie als Gesunde doch überhaupt nicht nachempfinden können. Aus diesem Grund habe ich Tobias nicht bedrängt. Ich hab gedacht, wenn es so weit ist, wird er schon reden.«
    Bert begann, diese Frau zu mögen. Vielleicht wusste er deswegen genau, was sie als Nächstes sagen würde.
    » Jetzt bereue ich das zutiefst. Wahrscheinlich hätte es nichts geändert, und wahrscheinlich wäre Tobias jetzt trotzdem tot, aber ich hätte ihm die Hand reichen können. Ihm ein wenig von dem zurückgeben, was er mir geschenkt hat.«
    » Sie haben getan, was Sie für richtig hielten«, sagte Bert vorsichtig.
    » Und doch ist heute nicht immer richtig, was gestern richtig schien.«
    Bert wusste, dass er keinen Trost spenden konnte, weil es den nicht gab, nicht hier und nicht jetzt. Aber er hoffte, dass sie ihn finden würde. Irgendwann.
    Etwas schien sie noch auf dem Herzen zu haben. Bert schaute sie abwartend an.
    » Hat er…« Sie stockte. » Wie sah er aus, als sie ihn gefunden haben?«
    Bert zögerte keine Sekunde.
    » Er wirkte friedlich«, sagte er. » Fast so, als würde er schlafen.«
    Dankbar nahm sie seine Lüge an, und zum ersten Mal blickte sie ihm offen ins Gesicht und wehrte sich nicht länger gegen ihre Tränen.
    Nachdem Bert kurz mit den übrigen Mietern gesprochen hatte, ohne etwas Wesentliches in Erfahrung zu bringen, war er nach Rodenkirchen gefahren, um Tobias Sattelkamps Eltern die Nachricht vom Tod ihres Sohnes zu überbringen.
    Das Haus der Sattelkamps stand in einer vornehmen Straße. Es war von einer strahlend weißen Mauer umgeben und besaß eine Garagenzufahrt, die länger war als die meisten Grundstücke durchschnittlich verdienender Menschen. Doch Schicksal sschläge machten auch vor eingezäuntem Reichtum nicht Halt.
    Frau Sattelkamp öffnete ihm eigenhändig die Tür, was Bert verwunderte, weil er im Stillen mit einer Angestellten in schwarzem Kleid und weißer Schürze gerechnet hatte. Sie war erlesen gekleidet, perfekt frisiert, ein wenig zu stark geschminkt und trug kostbaren Schmuck.
    Wie ein Gast im eigenen Haus, dachte Bert.
    » Bitte.« Sie bat ihn in die große Diele, die minimalistisch mit edlen Möbelstücken und überdimensionalen Bildern ausgestattet war. Dort blieb sie stehen und blickte ihn abwartend an.
    Eine kühle, distanzierte Frau, vermutete Bert, doch er hatte sich schon einige Male in seiner Einschätzung geirrt.
    » Können wir uns setzen?«, fragte er.
    Ihr Körper versteifte sich in Abwehr, aber sie hatte sich rasch wieder im Griff.
    » Gern«, sagte sie und führte ihn in einen mehr als großzügigen Wohnraum, der ganz in Schwarz, Weiß und Gold gehalten war.
    In einem glänzenden schwarzen Flügel spiegelte sich das Draußen, das aus einem weitläufigen japanisch angelegten Garten bestand. Weiße Teppiche auf dem weißen Granitboden verschluckten das Geräusch ihrer Schritte. In einem weißen Marmorkamin brannte ein Feuer, ohne behaglich zu wirken.
    Bert hatte das Gefühl, die Worte, die er zu sagen hatte, könnten all das hier wie Eis

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