Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
Zehenspitzen schlich er aus dem Zimmer, ging in die Küche, nahm sich ein Eis aus dem Gefrierfach des Kühlschranks und setzte sich an den Tisch.
    Bis Oktober, wenn das Wintersemester anfing, hatte er die Wohnung noch für sich allein. Nils, sein Mitbewohner, verbrachte ein Jahr in Schweden. Unterrichtete dort an der Uni Deutsch, lernte auf diese Weise so ganz nebenbei Schwedisch und musste währenddessen nicht mal sein Zimmer vermieten, weil seine Eltern jede Menge Kohle hatten.
    Aber Björn beneidete ihn nicht darum. Nils Eltern klebten wie Kletten an ihrem Sohn, tyrannisierten ihn mit Anrufen, kontrollierten ihn auf Schritt und Tritt und erfüllten ihm seine Wünsche, noch bevor er sie ausgesprochen hatte. Wahrscheinlich war Schweden längst nicht weit genug weg, um ihrer Fürsorge zu entkommen.
    Da waren Björn seine eigenen Eltern schon lieber. Sie würden keinen Preis als beste Eltern der Welt gewinnen, dafür jedoch hielten sie sich aus dem Leben ihrer Kinder heraus. Und das war enorm viel wert.
    Björn aß sein Eis und schaute dabei gedankenverloren aus dem Fenster. Der Blick ging auf die Rückseite eines schäbigen Hauses aus den achtziger Jahren, das dem Haus, in dem er mit Nils wohnte, zum Verwechseln ähnlich sah. Beide waren früher einmal Sozialbauten gewesen, und auch heute war die Miete erschwinglich. In jedem Haus befanden sich vier Wohnungen von je dreiundsiebzig Quadratmetern.
    Die übrigen Mieter begegneten Björn und Nils freundlich, aber zurückhaltend. Björn hatte keine Ahnung, ob sie wussten, dass er schwul war. Wenn ja, dann hatten sie offenbar kein Problem damit.
    Buschdorf war ein ländlicher Stadtteil von Bonn, der auf Björns Wunschliste nicht gerade oben gestanden hatte. Doch die geringe Miete war ein unschlagbarer Pluspunkt gewesen, und jetzt lebte er hier und hatte sich allmählich mit den Gegebenheiten arrangiert.
    Er goss sich ein Glas Milch ein, nahm einen Schluck und entspannte sich ein wenig. Aber dann spukte ihm Leonard wieder durch den Kopf. Wo war seine Leiche jetzt?
    Auf dem Obduktionstisch?
    Im Kühlfach der Gerichtsmedizin?
    Weiß, blutleer und still?
    Björn schüttete die Milch in einem Zug hinunter. Er spürte, wie sie durch seine Speiseröhre rann und sich in seinem Magen verteilte.
    Kalt.
    Wie Leonards toter Körper.
    Obwohl Björn sich für heute Nachmittag zwei, drei Stunden Arbeit für die Uni vorgenommen hatte, flüchtete er vor seinen Gedanken ins Schlafzimmer. Er zog sich aus und kroch wieder zu Maxim ins Bett. Maxim knurrte unwillig, wurde aber nicht wach, drehte sich bloß zur Seite und schlief weiter.
    Björn schmiegte sich an ihn. Er war fast eingeschlafen, als es klingelte. Leise fluchend stand er auf, zog sich hastig an und lief barfuß über den Flur. Vielleicht hatte Romy etwas vergessen. Oder sie wollte ihn einfach nur mit weiteren Fragen nerven.
    Doch dann kamen zwei Männer die Treppe herauf. Bullen, das erkannte Björn auf den ersten Blick, obwohl sie keine Uniform trugen.
    » Guten Tag, Herr Berner«, sagte der Ältere. » Bert Melzig, Kripo Köln. Und das ist mein Kollege, Kriminalhauptkommissar Rick Holterbach. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für uns?«
    Melzig? Den Namen hatte Björn schon von Romy gehört. Er nickte und trat einen Schritt beiseite, um die Männer hereinzulassen. Aus einem Grund, den er sich nicht erklären konnte, beschlich ihn auf einmal ein mulmiges Gefühl.

6
    Schmuddelbuch, Mittwoch, 2. März, zwölf Uhr dreißig
    Sitze in Björns Lieblingsbistro am Blumenmarkt und habe mir einen Salat bestellt. Greg ist großzügig, wenn es um Spesen geht. Ein Salat fällt da gar nicht ins Gewicht. Um mich herum reges Treiben. Studenten treffen sich hier zum Brainstorming für irgendwelche Arbeiten. Anzugmänner und Kostümfrauen machen Mittagspause. Alte Damen veranstalten ihr Kaffeekränzchen.
    Und ich bin immer noch wütend.
    Maxim ist ein elender Vampir. Er saugt den Menschen die Lebenskraft aus, um sich selbst daran zu stärken. Wie selbstverständlich beansprucht er ihre gesamte Aufmerksamkeit und Zuwendung. Immer muss er im Mittelpunkt stehen.
    Wie blass Björn war, wie zerstreut und wie weit weg.
    Und wie verliebt…
    Ausgerechnet in einen wie Maxim.
    Dieser Typ muss sich ständig spreizen wie ein Pfau. Damit nur ja alle sehen, wie prachtvoll er ist.Als er mir die Tür aufmachte, barfuß und mit bloßem Oberkörper, da musste ich an Freddie Mercury und seine sagenhaften Bühnenauftritte denken. Hätte bloß noch gefehlt, dass Maxim

Weitere Kostenlose Bücher