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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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wieder gegen den Türrahmen und das war gut so. Hätte er sich auch noch an den Tisch gequetscht, wäre die Küche aus allen Nähten geplatzt.
    » Ja, aber nicht so gut wie Björn. Ich bin hier nur zu Besuch.«
    » Student?«, fragte Rick.
    » Ja. In Berlin.«
    Bert tauschte einen Blick mit Rick und nickte.
    » Gut«, sagte er zu Björn Berner. » Ich lasse Ihnen meine Karte hier. Melden Sie sich bitte, wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte.«
    » Mach ich.«
    Björn Berner begleitete sie zur Tür.
    » Ach«, sagte Bert im Hinausgehen. » Es gibt da eine junge Journalistin, Romy Berner. Sie sind nicht zufällig mit ihr verwandt?«
    » Sie ist meine Zwillingsschwester.«
    » Na prima«, entfuhr es Rick.
    » Ich weiß.« Der junge Mann grinste verlegen. » Sie mischt sich gern ein, egal in was.«
    » Das kann man wohl sagen.«
    » Es ist ihr Job und sie nimmt ihn ernst.«
    » Das tun wir auch«, sagte Rick. » Deshalb werden wir jeden zurückpfeifen, der uns in die Suppe spuckt.«
    Bert wunderte sich über zweierlei: über Ricks kräftige Wortwahl und über seinen Optimismus. Romy Berner gehörte nicht zu den Menschen, die sich so einfach zurückpfeifen ließen. Und wahrscheinlich sammelte sie gerade Spucke, um sich über den Suppentopf zu beugen.
    Er schmunzelte, aber ihm war nicht wohl dabei.
    *
    Glück .
    Ein verheißungsvolles Wort. Nur traf es so sehr, sehr selten auf ihn zu. Wenn er jedoch einmal Glück empfand, dann mit einer überwältigenden Intensität.
    Er dachte oft über Begriffe nach und darüber, wie geheimnisvoll Sprache doch war. Immer wieder stöberte er neue Wörter auf und freute sich über sie. Mit manchen ging er lange umher und bewahrte sie freundlich in sich auf.
    Man konnte sie auf der Straße finden. In Büchern. Auf Plakaten. Sie umschwirrten ihn und warteten nur darauf, entdeckt zu werden.
    Natürlich gab es auch schreckliche Wörter, voller Hass oder voller Angst.
    Worte waren wie die Menschen, die sie aussprachen.
    Sie waren genauso gefährlich.
    Er war kaum je wirklich liebevollen Menschen begegnet. Nur welchen, die ihn mit ihrer Liebe in Besitz genommen hatten.
    Als Kind hatte er sich vor ihnen versteckt. Unterm Tisch, im Schrank oder draußen im Garten, an einem von tausend geheimen Orten, die außer ihm niemand kannte.
    Irgendwann zu jener Zeit hatte er voller Entsetzen begriffen, dass Wörter lebendig waren. Dass sie ihn glücklich machen und quälen konnten.
    Wie Schlangen hingen sie von den Bäumen herab, bereit, sich fallen zu lassen und in seinem Nacken festzubeißen.
    Andere Wörter krochen ihm in den Mund und verstopften seine Luftröhre, bis er fast an ihnen erstickte.
    Den Wörtern, die ihn streichelten, begegnete er so gut wie nie.
    Er hatte Lieblingswörter:
    Raureif .
    Ranunkeln .
    Mittsommernacht.
    Und Wörter, die ihn terrorisierten. Über die dachte er nicht nach. Die schob er beiseite, sofern er konnte, und manchmal, ganz selten, gelang es ihm sogar, sie für eine Weile zu vergessen:
    Kreide.
    Schrill.
    Langusten.
    Niemand verstand das, und nach einer Weile hütete er sich, darüber zu sprechen. Er verharrte allein in der Welt der Wörter und versuchte zu überleben.
    Glück .
    Das Sehnsuchtswort.
    Wenn er nur das Gefühl, das es beschrieb, wiederfinden könnte! Es zerrann ihm zwischen den Fingern, wie … Wasser, wie … Geld, wie … Zärtlichkeit. Und er blieb zurück wie ein Stein im Meer, der die Wellen zwar spürt, sich jedoch nicht mit ihnen bewegen kann.
    » Liebe mich«, flüsterte er tonlos. » Nimm mich in deine Arme und lass mich nie mehr los. Nie mehr. Nie, nie, nie, nie mehr.«
    Laut auszusprechen wagte er es nicht.
    Obwohl niemand da war, der es hören konnte.
    *
    Nachdem sie ihren Salat gegessen hatte, überlegte Romy, wie sie weiter vorgehen sollte. Die Gedanken an Maxim verdrängte sie so gut wie möglich. Vor allem die Erinnerung an die abgrundtiefe Verachtung in seinem Blick. Er konnte sie nicht ausstehen, weil er ihre Ablehnung spürte. Und sie als Konkurrenz empfand.
    Im Zentrum seiner Welt stand er selbst, und er ließ bloß Menschen an sich heran, die ihn anbeteten oder ihm irgendwie von Nutzen waren. Vielleicht liebte er Björn wirklich, jedoch im Rahmen seiner Möglichkeiten. Und Maxims Möglichkeiten waren in Romys Augen ziemlich begrenzt.
    Sie wünschte sich mehr für ihren Bruder, wünschte ihm eine große, eine einzigartige Liebe. Einen Menschen, der sich ganz auf ihn einließ und nicht treulos war, wie Maxim

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