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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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übers Internet bestellt.«
    Der klassische Beginn einer Laufbahn an der Uni, dachte Bert. Ein enormer Leistungsdruck, viel Arbeit und wenig Zeit für das, was das Leben sonst noch ausmacht.
    » Der war der typische Intellektuelle«, sagte Rick, der es mit Intellektuellen nicht so hatte.
    » Nämlich?«
    » Ehrgeizig, zielstrebig, fleißig«, zählte Rick auf, » asketisch, menschenscheu und irgendwie… sonderbar.«
    Tatsächlich war dies auch das Bild, das Bert bei den Befragungen gewonnen hatte. Das Aussehen des Toten passte ebenfalls in das Klischee. Leonard Blum war sehr schlank gewesen, fast hager, mit langen, sehnigen Gliedmaßen. Das Gesicht des Toten, obwohl blutverschmiert, schmal und sensibel.
    Bert betrachtete das Foto des lebenden Leonard Blum. Es war im Garten der Eltern aufgenommen worden, wie die Mutter erklärt hatte. Sie hatte sie schließlich doch noch hinausbegleitet und ihnen auf Berts Bitte hin ein aktuelles Foto ihres Sohnes ausgehändigt. Leonard Blum stand darauf gegen einen Baumstamm gelehnt, die Hände in den Hosentaschen, den Kopf zur Seite geneigt und lachte fröhlich in die Kamera.
    Er wird nie wieder sprechen, dachte Bert. Nie wieder fühlen. Nie wieder jemanden anschauen.
    Nie wieder lachen …
    Irgendwer hat sein Strahlen einfach ausgeknipst.
    Es war ihre Aufgabe, den Grund dafür herauszufinden.
    » Er wurde geliebt«, sagte er. » Von seinen Eltern. Er wurde geschätzt. Von den Leuten im Haus. Ich bin gespannt auf das, was wir an der Uni erfahren werden.«
    » Worauf warten wir noch?«
    Rick zog sein Sakko von der Stuhllehne und ging zur Tür. Er war wie ein junges Pferd, tänzelte nervös an der Startlinie und konnte es nicht erwarten, endlich loszugaloppieren.
    Bert kam sich auf einmal entsetzlich müde vor. Er hätte lieber noch eine Weile an seinem Schreibtisch gesessen, um nachzudenken, ein Gefühl für den Toten zu entwickeln.
    Seufzend erhob er sich.
    » Ödes Nest«, sagte Rick mit leiser Verachtung, als sie eine knappe halbe Stunde später von Bonn-Beuel aus über die Kennedybrücke fuhren.
    Während der Fahrt über die A59 hatten sie geschwiegen, beide in Gedanken versunken. Bert hatte leichte Kopfschmerzen, die seinen Schädel wie ein Helm umschlossen. Wahrscheinlich änderte sich das Wetter. In letzter Zeit reagierte er darauf wie ein menschliches Barometer.
    Seine Lieblingsgroßmutter hatte immer behauptet, Jungen seien wetterfühliger als Mädchen. Sie war gestorben, als Bert zehn Jahre alt gewesen war. Er hatte lange unter ihrem Tod gelitten. Heute träumte er manchmal, dass er irgendwo mit ihr zusammensaß und sich mit ihr unterhielt. Er träumte lange Gespräche, an die er sich morgens noch erinnern konnte.
    Sie fanden einen Parkplatz und stiegen aus. Rick drehte sich einmal um sich selbst und verschaffte sich einen Überblick über ihren Standort. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    » Nee«, sagte er, » hier möchte ich nicht tot überm Zaun hängen.«
    Bert schmunzelte. » Lieber woanders?«
    Rick reagierte nicht. Er marschierte los.
    Bert folgte ihm. Ein mit Einkaufstüten beladener Mann rempelte ihn versehentlich an und entschuldigte sich wortreich für seine Ungeschicklichkeit. Dabei fiel Bert in einigen Metern Entfernung eine junge Frau auf, die sich durch den Trubel auf dem Markt schlängelte und in der Menge verschwand. Das blonde, kurz geschnittene Haar leuchtete förmlich im Grau des Vormittags, in das sich zögernd Sonnenlicht mischte, gefiltert durch eine dicke Wolkenschicht.
    Romy Berner, Volontärin beim KölnJournal. Verdammt!
    Auch Rick hatte sie entdeckt. Er drehte sich zu Bert um und wies mit einer Kopfbewegung in die Richtung, die die junge Frau genommen hatte.
    » War das nicht…«
    » Allerdings.« Bert nickte. » Hoffen wir, dass das ein Zufall ist.«
    » Zufall? Daran glaubst du doch selber nicht.«
    Das tat Bert tatsächlich nicht. Nicht bei diesem Mädchen, das für eine gute Story ohne viel Federlesen ihr Leben aufs Spiel setzte. Sie war ihnen schon einmal in die Quere gekommen und hatte ihre Neugier nur mit unverschämtem Glück überlebt.
    » Wie schnell sind diese Schreiberlinge eigentlich?«, regte Rick sich auf. » Ich komme mir allmählich vor wie in der Geschichte mit dem Hasen und dem Igel. Hechle mir die Lunge aus dem Leib und immer ist einer von denen vor mir da.«
    Bert kannte das Gefühl zur Genüge. Und er war alarmiert. Er hatte nicht vor, sich noch einmal ins Handwerk pfuschen zu lassen, von wem auch immer.
    Grimmig

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