Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
Vom Netzwerk:
ist eine Ausstellung unseres Lebensstils, die nicht einmal dem Leben der meisten Homosexuellen entspricht, die ich kenne.“
    Rasmus sieht aus, als hätte man ihn gerade geohrfeigt. Ich kann sehen, wie Juliane unter dem Tisch seine Hand nimmt und sie tröstend drückt. Das macht sie mir noch sympathischer.
    Lasse kann sich anscheinend unentwegt reden hören: „Natürlich kann man argumentieren, dass die Pride im besten Fall harmlos ist und das Recht der Homosexuellen verteidigt, ihr eigenes Leben zu führen, so wie sie es wollen …“
    „So meinte ich das auch“, murmelt Rasmus.
    „Aber das Problem ist, dass diese Art von öffentlichen Demonstrationen bei Menschen mit Vorurteilen überhaupt nichts bewirkt. Wenn die der Meinung sind, man solle alle Schwulen zwangskastrieren, dann werden sie darin womöglich noch bestärkt, wenn sie den Pride-Umzug durch die Stadt fahren sehen.“
    „Und was willst du stattdessen mit ihnen tun?“
    „Solche Menschen kann man nicht erreichen. Und vielleicht soll man das auch gar nicht. Aber wenn sie uns angreifen, müssen wir uns wehren dürfen. Bisher haben wir ihnen nur die andere Wange hingehalten und es erduldet. Damit ist jetzt Schluss.“ Er steht auf und sieht herablassend auf Rasmus nieder: „Es nützt doch nichts, sich im Tutu auf einen Paradewagen zu stellen und ansonsten alle Schläge mit einem Lächeln über sich ergehen zu lassen.“
    „Was nützt denn dann etwas?“, frage ich, um Rasmus vor weiterer Kritik zu schützen.
    „Es nützt etwas, zurückzuschlagen“, antwortet Lasse.
    „Um sich zu rächen?“
    „Um zu zeigen, dass es uns reicht.“
    Mit diesen abschließenden Worten nickt Lasse Rasmus und Juliane zu, ehe er seine Jacke nimmt und zum Ausgang geht. Ein einsamer Rächer auf dem Weg durch die nachtschwarzen Straßen. Ein Mann mit einer Mission.
    Und ein Riesenidiot.

28. Februar
    Um vier Uhr nachts stürmen wir den Wurststand am Nytorv. Wir haben die Dragqueen im Schlepptau. Er hat sein Make-up abgelegt, trägt aber immer noch Frauenkleider und besteht darauf, dass wir ihn Winky nennen. Ich versuche eine halbe Stunde lang, ihm seinen richtigen Namen zu entlocken, erfahre jedoch immer nur, dass er nachts ausschließlich Winky heißt.
    Rasmus schaufelt sich den letzten Rest Hotdog in den Mund: „Mateus spendiert einen Kuss, wenn du ihm deinen richtigen Namen verrätst.“
    „Tue ich nicht“, sage ich. „Aber wie wäre es mir dir? Nachdem du bei Lasse nicht landen konntest?“
    Rasmus zielt mit der Ketchupflasche auf mich. „Das nimmst du gefälligst zurück!“
    „Stell die sofort wieder hin!“, keift der Wurstverkäufer und reißt Rasmus die Flasche aus der Hand.
    „Ihr seid sowieso nicht mein Typ“, winkt Winky ab. „An euren knochigen Jünglingskörpern ist mir zu wenig dran.“
    „Das musst du gerade sagen!“, sagt Rasmus lachend. „Du Klappergestell.“
    Juliane leckt sich ein wenig Senf von der Oberlippe und sieht mich mit glasigen Augen an. Wenn ich mich nicht ganz irre, flirtet sie mit mir.
    Rasmus beugt sich über den Tresen und macht einen Schmollmund. „Na gut, Wurstmaxe, aber ich hätte auch gern noch ein gebratenes Würstchen. Und zwar ein großes!“
    „Ja, wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über“, sagt Winky und verdreht die Augen.
    Am anderen Ende des Tresens stehen zwei stumme Typen – von der Sorte, die zu viel Zeit im Fitness- und Tattoo-Studio verbringt.
    Leicht reizbar.
    Und sie haben Rasmus und Winky bereits im Visier.
    „Oh mein Gott, die erinnert mich an Lasse“, quietscht Rasmus, als er die Wurst entgegennimmt.
    „Als ob du darüber etwas sagen könntest, mein Küken“, kommentiert Winky.
    „Aber du, oder was?“
    „Das habe ich nie behauptet. Er ist mir ein bisschen too much.“
    „Mir könnte er nie zu viel sein.“
    Ihr Geplapper sorgt für Fußscharren und irritierte Blicke auf der anderen Seite der Wurstbude, aber Winky und Rasmus bemerken es nicht. Bis der größere der Muskelprotze, ein rothaariger Typ mit einer Eidechsentätowierung auf dem Hals, sagt, sie sollten endlich die Klappe halten.
    „Entschuldigung, wie bitte?“, fragt Rasmus und lehnt sich über den Tresen. „Ich glaube, ich habe euch nicht ganz verstanden.“
    „Man verliert den Appetit, wenn man sich eure Scheiße mit anhören muss. Also halt’s Maul.“
    „Das habe ich nicht gehört. Wir leben in einem freien Land.“
    „Was für ein ekelhafter, kleiner Arschficker“, murmelt der andere Typ. Er hat eine Glatze und eine

Weitere Kostenlose Bücher