Spieglein, Spieglein an der Wand
anzugucken.
Langweilig.
Langweilig.
Oh, eine neue Freundschaftsanfrage. Die erste seit Monaten. Wer will mit mir befreundet sein? Sekunde, Sekunde, es ist …
Arendse Lindhardt Beiersdorf.
Das schlechte Gewissen schießt wie Adrenalin durch meinen Körper. Wenn es nach mir ginge, würden wir das letzte Wochenende einfach nur vergessen. Ich habe meinen Freunden auch nicht von ihr erzählt. Wenn sie nur zwei Jahre älter gewesen wäre, hätte ich meinen Mund keine Sekunde halten können,was meine stilsichere Beute betrifft, aber sie ist es nicht, also lässt sich damit ganz und gar nicht prahlen. Besonders Liv soll auf keinen Fall etwas davon erfahren, denn ich weiß jetzt schon, was sie davon halten wird.
Vor ein paar Monaten hatten wir in der Klasse eine Diskussion über das Schutzalter für sexuelle Handlungen. Einige meinten, man solle es von fünfzehn auf dreizehn Jahre herabsetzen, doch Liv war dagegen. Sie war der Meinung, dass Mädchen nicht in der Lage seien, sexuelle Beziehungen richtig einzuschätzen, bevor sie mindestens fünfzehn wären. Wenn sie vorher mit jemandem ins Bett gingen, geschehe das zwar möglicherweise freiwillig, aber häufig aus zweifelhaften Motiven heraus. Um einen Freund an sich zu binden oder weil sie denken, dass alle anderen es auch tun. Damals fand ich, ihre Argumentation sei weit hergeholt. Ich sagte, es gebe doch wohl massenhaft Mädchen unter fünfzehn, die dazu bereit seien, mit ihren Freunden ins Bett zu gehen.
Liv kniff ihre Lippen zusammen: „Sie GLAUBEN vielleicht, sie wären bereit.“
„Und Mateus HOFFT darauf “, sagte Tom anzüglich.
Ein paar Typen in der Klasse meinten, es solle überhaupt kein sexuelles Schutzalter geben. Denn, wie Jannik sagte, alle sollten sich selbst um solche Dinge kümmern – und das Gesetz dürfe sich da gar nicht einmischen. Liv fragte, ob sie ihn dazu in ferner Zukunft noch einmal befragen dürfte, wenn er selbst Vater eines dreizehnjährigen Mädchens sei. Ob Jannik wohl immer noch so cool wäre, wenn irgendein viel älterer Mann seine Tochter vögeln dürfe? Woraufhin Jannik gereizt antwortete, wenn er jemals eine Tochter bekäme, dann bestimmt nicht eine solche Schlampe. Von diesem Moment an wurde die Diskussion immer hitziger, bis Daniel völlig unnötigerweise sagte, nur weil Livselbst ein Problem mit Sex habe, müsse sie andere Frauen ja nicht daran hindern, ihren Spaß zu haben. Liv brach völlig zusammen und war nicht mehr zu einer Gegenwehr in der Lage. Fünf Sekunden lang herrschte in der Klasse komplettes Schweigen, bis Cecilie, die sich sonst aus der Diskussion herausgehalten hatte, Liv zur Seite sprang: „Liv geht von der durchschnittlichen Beurteilung der geistigen Reife einer Jugendlichen im Verhältnis zu ihrer sexuellen Reife aus. Die sexuelle Reife ist etwas, das ganz jungen Mädchen in vielen Fällen aufgezwungen wird, sei es von Partnern, durch Gruppenzwang oder etwas anderem, und dem sie meinen, nachkommen zu müssen. Stimmt’s, Liv?“
Copy Noize sind zu einem anderen Achtzigerjahre-Hit übergegangen, als Juliane und Rasmus endlich auftauchen.
„Wen hast du denn da im Keller eingesperrt?“
„Das ist mein Vater mit seiner Band.“
„Dein Vater hat eine Band?“, fragt Juliane. „Was für ein Instrument spielt er denn?“
„Bass. Wollen wir nicht endlich loslegen?“
Rasmus legt die vorläufige Liste der Auftritte für die Frühjahrsparty vor.
„Wer ist Mizz Take This ?“, frage ich.
Juliane und Rasmus sehen sich an. Seit einigen Wochen sind sie unzertrennlich. In den Pausen schlendern sie Hand in Hand durch die Gänge der Schule und drehen gerne eine Extrarunde an der 13 Z vorbei, wo die pöbelnden Typen ihnen böse Blicke zuwerfen. In der Mittagspause sitzen sie am liebsten für sich allein und Juliane legt ihre Beine über Rasmus’ Knie. Offenbar soll die ganze Welt sehen, wie eng die beiden befreundet sind.
„Bist du das?“, frage ich Rasmus.
„Wie konntest du das wissen, Honey?“
„Du hast also vor, dort aufzutreten?“
„Oh yes, und zwar im Drag Outfit.“
„Machst du jetzt etwa auch einen auf Dragqueen?“, frage ich genervt.
„Überhaupt nicht. Das gibt mir nicht den geringsten Kick.“
„Und warum willst du dann so auftreten?“
Die zwei Musketiere sehen sich verschwörerisch an. Juliane setzt eine feierliche Miene auf. „Das ist ein Statement.“
„Aha, und wofür?“
Rasmus geht zum Regal rüber und fummelt an meinem iPod herum: „Ich habe keine Lust mehr, immer
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