Spieglein, Spieglein an der Wand
mich angelogen!“
„Aber ich fühle mich wirklich älter!“
„Das bist du aber nicht! Du bist dreizehn! Warum wolltest du überhaupt …?“
Sie errötet und sieht mit jeder Sekunde jünger aus. Wie konnte ich bloß so saudumm und notgeil sein?
Ich bin ein liederlicher alter Bock.
„Weil alle anderen in meiner Klasse es auch schon längst getan haben.“
„Was? Wer?“
„Okay, vielleicht nicht alle. Aber in meiner Klasse sind richtig viele Mädchen, die es schon mal getan haben.“
„Wenn du wirklich in die siebte Klasse gehst, ist das auf jeden Fall gelogen!“
Herzlichen Glückwunsch, mein Kind, du hast es getan. Mit einem stockbesoffenen Idioten, der dabei an nichts anderes denken konnte, als irgendein Mädchen zu vögeln, nur um Liv, Juliane und all die anderen Zurückweisungen zu verarbeiten. Der keine Sekunde lang an dich gedacht hat, sondern einfach nur sein Ding in dich reingehämmert und seinen Spaß gehabt hat, pfui Teufel, wie armselig ist das alles. Ich ekle mich vor mir selbst und mein Kater ist lediglich zusätzliches Wasser auf diese Mühlen.
Arendse sitzt im Bett und hat sich die Decke über den Kopf gezogen. Bis vor ein paar Stunden war sie noch Jungfrau. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich mir zumindest mehr Mühe gegeben. Und eigentlich hoffe ich sehr, dass ich sie abgewiesen hätte, wenn sie mit ihrem Alter ehrlich gewesen wäre. Eigentlich müsste es ein Triumphgefühl in mir auslösen, mit einer Jungfrau im Bett gewesen zu sein, aber im Moment hätte ich eher Lust, mich freiwillig kastrieren zu lassen. Zumindest hätte ich Arendse ein schöneres erstes Mal gewünscht als das mit mir.
Ich ziehe meine Hose und meine Socken an. Hole meine Schuhe unter dem Tisch hervor. Es ist ein wahres Wunder, dass Arendses Mutter direkt an ihnen vorbeigegangen ist, ohne sie zu entdecken. Als ich aufstehe, um zu gehen, fragt Arendse mich, ob ich sauer auf sie sei. Diese Frage treibt mich sofort ins Bad, denn nun ist das Maß voll und ich könnte kotzen vor schlechtem Gewissen. Und das tue ich auch.
18. März
Juliane und Rasmus lassen gern auf sich warten. Zu unseren Verabredungen kommen sie immer mindestens eine Stunde zu spät. Das nervt mich unglaublich, denn wenn Veronica eine Sitzung des Partykomitees einberuft, schaffen sie es durchaus, pünktlich zu sein. Ich tigere in meinem Zimmer auf und ab, stockwütend. Das wird auch von dem lauten Achtzigerjahre-Sound nicht besser, der sich wie ein lärmendes Messer durch vier Stockwerke hindurchschneidet. Mein Vater und seine Band haben ihre erste Probe im Keller. Den ganzen Tag über haben sie aufgebaut und sind jetzt bereit, die Welt zu erobern – mit einem Song nach dem anderen. Vorhin hat mein Vater mir anvertraut, dass sie sich ab sofort mit „z“ schreiben wollen, um mit der Zeit zu gehen, nun also Copy Noize heißen. Er schien ziemlich stolz auf seinen Einfall und erwartete sich wohl irgendeine Form des Lobs, also nickte ich und sagte, dass sei eine coole Idee. Schnitt. Und drei Stunden später machen mich die sechzehn unvollendeten Versionen von The Final Countdown fast wahnsinnig.
Ich rufe Juliane an, die behauptet, Rasmus und sie seien gleich da.
„Wir wollten schon vor einer Stunde anfangen!“, sage ich.
„Jaja, wir sind doch schon unterwegs!“
„Könnt ihr euch so schnell bewegen, dass ihr eine Zeitreise macht und dann hier vor etwa einer Stunde eintrefft?“
„Oh Mann, Mateus, jetzt hör doch auf mit dem Kack!“
Sie lacht und gibt meinen Kommentar an Rasmus weiter, der anscheinend im Hintergrund sitzt.
„Wann könnt ihr hier sein?“ Ich überlege ernsthaft, ihnen abzusagen. Vielleicht lernen sie dann, dass ich an einem Donnerstagnachmittag auch noch anderes zu tun habe, als auf sie zu warten. Habe ich natürlich nicht, aber das brauchen sie ja nicht zu wissen.
„Er fragt, wann wir da sind“, ruft Juliane Rasmus zu.
„Nach zwei Blowjobs und einem ABBA -Hit!“, lautet die kecke Antwort aus dem Hintergrund.
In den letzten Wochen ist Rasmus mit seinem betont schwulen Stil immer anstrengender geworden. Mittlerweile sind seine Sprüche weder schockierend noch witzig.
„Wenn ihr nicht in einer halben Stunde hier seid, ist das Treffen abgesagt“, sage ich und lege auf.
Sie rufen augenblicklich zurück, erst Juliane, dann Rasmus, aber ich gehe nicht ran. Aus dem Keller dringt – zum siebzehnten Mal an diesem Nachmittag – ein total abgedroschenes Keyboard-Riff.
Ich gehe auf Facebook , um Statusmeldungen
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