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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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und denke zum ersten Mal in meinem Leben, dass meine Mutter mich vielleicht nicht mehr lieben würde, wenn sie alles über mich wüsste.
    „Wie geht es dir sonst, Mateus?“
    „Sehr gut.“
    „Wie läuft’s in der Schule?“
    „Okay. So wie immer.“
    „Hast du immer noch so viele Hausaufgaben auf?“
    „Ja.“
    „Und wie geht es Nick so?“
    Sie gibt sich wirklich Mühe. Normalerweise erwähnt sie Nick nur in Verbindung mit Kritik oder Skepsis. Ich glaube, sie hat noch nie gefragt, wie es ihm geht.
    „Sein Vater ist nach Hause zurückgekommen.“
    „Dieser Engländer? Was heißt nach Hause?“
    „Er ist wieder bei ihnen eingezogen.“
    „Ja, aber, ist er denn auch wieder mit Nicks Mutter zusammen?“
    „Vielleicht.“
    Meine Mutter hebt die Augenbrauen und zieht die Mundwinkel nach unten. Die Grimasse soll ausdrücken, dass sie nicht weiß, wie die Sache enden soll, aber dass sie Probleme wittert. Ich bin leicht irritiert. Sie kennt Nicks Vater überhaupt nicht, und Nick und seine Mutter eher schlecht als recht. Nicks Mutter war ziemlich deprimiert, als ihre Beziehung mit diesem affigen Henrik in die Brüche ging. Vielleicht finden sie und Douglas jawieder zusammen, und dann werden sie eine große, glückliche Kernfamilie. Vielleicht.
    „Noch einen Scone?“
    „Nein, danke. Ich fahre jetzt nach Hause, es fängt gleich an zu regnen.“
    „Ich bin davon ausgegangen, dass du zum Essen bleibst.“
    „Das hatte ich eigentlich nicht vor. Papa wollte heute Abend was für uns kochen.“
    „Ach so. Wie geht es ihm denn?“
    „Gut. Er probt wieder mit seiner alten Band.“
    Der Regen schickt ein paar Probetropfen los, die schwer auf das Dach des Wintergartens fallen.
    „Oh, es fängt schon an. Dann bleibst du aber doch noch, bis es vorbei ist, oder?“
    Na gut. Ich helfe ihr, die Tassen und Teller in die Küche zu tragen, und dann fangen wir an zu kochen. Es ist fast wie früher. Nur dass man hier nicht andauernd zusammenstößt wie zu Hause in der Weyesgade. Die Küche ist so groß, dass man einen Elefanten darin zerlegen könnte.
    „Du kommst doch zu Johannes’ Junggesellenabschied, oder?“ Meine Mutter zieht eines der fünfzehn japanischen Messer aus dem Messerblock und geht auf die Karotten los: „Der wird wahrscheinlich Ende Juli sein. Einer von Johannes’ Freunden organisiert ihn. Ich habe ihm deine Nummer gegeben, er wird dich demnächst mal anrufen. Ich glaube, das wird richtig lustig. Vielleicht macht ihr einen Ausflug nach Schweden.“
    Wo wir aller Wahrscheinlichkeit nach mit bloßen Füßen einen Elch tottrampeln und ihn mit den Händen zerteilen werden, um dann – mit dem Fleisch auf dem Kopf – wieder zurück nach Dänemark zu schwimmen. Oder irgendetwas anderes Lustiges.
    Ich will gerade den Mund aufmachen, doch sie kommt mir zuvor: „Ich weiß schon, dass du keine Lust hast, aber kannst du es nicht wenigstens mir zuliebe tun? Und Johannes zuliebe?“
    „Der wär mich doch sowieso lieber los!“, rutscht es mir raus. Der motzige Sohn aus der ersten Ehe der Zukünftigen ist ja wohl der Letzte, den man bei seinem Junggesellenabschied dabei haben will. „Der Junggesellenabschied ist doch nur was für Freunde.“
    „Er ist für ALLE Männer, die zur Hochzeit eingeladen sind!“
    „Ich könnte doch zu deinem Junggesellinnenabschied kommen!“
    „Darum habe ich nicht gebeten, klar?“
    Sie schiebt die erste Ladung Karotten in einen leeren Topf und widmet sich der nächsten. Sie geht darauf los wie ein Samurai auf rebellierende Reisbauern.
    „Mama, ich weiß doch noch nicht mal, ob …“
    „Ob du zur Hochzeit kommst? Nein, du hast ja auch immer noch nicht geantwortet!“
    „Ich wollte an dem Wochenende mit Nick nach Berlin fahren.“
    „Du willst was?“ Meine Mutter hält beim Gemüsehacken inne und sieht mich an. Bei ihrem aggressiven Blick und den zwanzig Zentimetern blank geschliffenem Stahl in ihrer Hand wird mir ein wenig unwohl.
    „Nach Berlin. Die Tickets sind schon gekauft.“
    „Ihr könnt doch wohl umbuchen?“
    „Sie waren so billig, die kann man nicht umbuchen.“
    „Dann bezahle ich euch gerne ein paar Flugtickets für ein anderes Wochenende. Und spendiere euch ein paar Nächte im Hotel.“
    „Aber an dem Wochenende ist auch ein Konzert, das Nick unbedingt sehen will. Wir haben schon Karten.“
    Meine Mutter kneift die Augen zusammen. Zu Nick-Augen. „Wenn Nick so verrückt nach dieser Band ist, kann er dann nicht allein hinfahren? Oder jemand anders mitnehmen?

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