Spieglein, Spieglein an der Wand
denen ihr euch überhaupt nicht mehr verabredet habt.“
Damals fühlte ich mich abgehängt und hatte Schwierigkeiten, mit Jonathans erwachsenem Stil zurechtzukommen, während ich selbst äußerlich und innerlich noch ein Junge war. Aber ich kam darüber hinweg. Noch bevor wir in die Neunte kamen, fanden Jonathan und ich wieder zusammen, und wir hatten einen unserer besten Sommer. Jonathan war erwachsen geworden, aber er war immer noch Jonathan.
Ich schüttele den Kopf: „Du erinnerst dich falsch.“
„Nein, tue ich nicht. Du wolltest ihn nicht sehen und das verletzte ihn sehr. Er hätte das nie zugegeben, aber Hannah hat es nach einem Elternabend mal zu mir gesagt. Er war traurig, dass du plötzlich nichts mehr mit ihm zu tun haben wolltest.“
Fuck, wie ich es hasse, wenn herauskommt, dass meine Eltern meine Fehler und Mängel mit anderen diskutiert haben, ohne dass ich etwas davon wusste. Denn natürlich lag das Problem damals nur bei mir. Die Augen meiner Mutter über dem Rand des Weinglases signalisieren, dass ich mich unangemessen verhalten habe, während Jonathan darunter leiden musste. Genau wie ich jetzt gemein zu meiner unschuldigen Mutter bin.
„Das ging dich damals schon nichts an“, sage ich kalt, „und tut es immer noch nicht. Versuch jedenfalls nicht, dich mit Jonathan zu vergleichen.“
„Das mache ich doch auch gar nicht. Ich vergleiche deine heutige Reaktion mit deiner damaligen.“
„Das war etwas anderes. Änder dich doch, wie du willst. Solange ich nicht begeistert in die Hände klatschen muss über dein Gewächshaus und deine spanischen Klofliesen …“
„Italienisch!“
„What the fucking ever! Und diesen Junggesellenabend kannst du glatt vergessen. Ohne mich!“
Ich bekomme das letzte Wort, dafür knallt sie die Tür so fest hinter mir zu, dass sie mich fast am Hintern trifft.
Zu Hause gerate ich sofort in die nächste Diskussion, diesmal mit dem anderen Elternteil. Während wir halbrohe Frikadellen und verkochte Kartoffeln essen, stellt sich heraus, dass mein Vater in meinem Zimmer war. Angeblich, weil er staubsaugen wollte. Was natürlich nur eine nette Umschreibung dafür ist, dass er in meinen Sachen geschnüffelt hat. Er hat den Flyer von der Angel Party gefunden und glaubt jetzt offenbar, dass ich schwul wäre. Das steht ihm zumindest ins Gesicht geschrieben, als er mich total nervös fragt, ob es etwas gibt, worüber ich mit ihm reden will. Woraufhin er die beiden rosa Flyer aus der Tasche holt und sie vor uns auf den Tisch legt. Meine Elternlunte ist mittlerweile so kurz, dass sie gleich explodiert, weshalb ich aufspringe und sage, er solle sich um seinen eigenen Scheiß kümmern. Und dass er, davon abgesehen, völlig danebenläge. Als wäre das nicht schon schlimm genug, sagt mein Vater dann auch noch, dass er einiges an meinem Verhalten in den letzten Jahren vielleicht besser verstehen könnte, wenn …
„Ich bin doch nicht schwul! Du hast sie ja nicht mehr alle!“ Ich boxe aggressiv gegen einen Stuhl und renne die Treppen hoch. Erst nach einigen Minuten hat sich mein Puls so weit beruhigt, dass ich mich wieder hinsetzen und ins Internet gehen kann. Ich suche einen Schlosser und schreibe mir die Nummer auf, denn jetzt brauche ich dringend ein Schloss für meine Zimmertür.
9. April
Der Feigling in mir siegt. Ich fahre zur Geburtstagsparty einer Vierzehnjährigen in Klampenborg, um einer Anzeige wegen Vergewaltigung zu entgehen. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finden soll, diese Situation oder mich selbst. Arendse schmiegt sich an mich und stellt mich überall als ihren Freund vor. Ich habe nicht mal einen Namen. Ich bin einfach nur „ihr Freund“. Die wichtigsten Mädchen erfahren außerdem, dass ich in der Stadt wohne und in die Dreizehnte gehe. Einige von ihnen wirken neidisch, während andere mich anstarren wie einen perversen Kinderschänder. In der ersten Stunde verstecke ich mich aus reiner Elternparanoia hinter irgendwelchen Regalen, bis Arendse mir erzählt, dass die Eltern der Gastgeberin nicht zu Hause sind. Es ist mir vollkommen unerklärlich, wie man sein Haus einer Horde gestörter Kinder auf Alcopops überlassen kann, doch dann berichtet Arendse, dass Molly noch eine große Schwester hat, die sich gemeinsam mit einer Freundin im ersten Stock aufhält. Es ist vorgesehen, dass die beiden in regelmäßigen Abständen durch das Untergeschoss patrouillieren.
„Aber Mollys große Schwester ist total cool, die mischt sich überhaupt nicht
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