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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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immer noch viel schwarze Schminke um die Augen und ihre Haare sind in einem neuen Rotton gefärbt, aber heute kann ich erkennen, wozu ich bei der Geburtstagsfeier nicht imstande war: Ich kann durch das Make-up und die Wannabe-Autonomenkleidung direkt bis zu der Dreizehnjährigen dahinter sehen. Sie trinkt Kakao und ich hole mir ein Bier, um den Altersunterschied zu demonstrieren.
    „Okay. Was willst du?“
    „Ich fand einfach, dass wir mal reden sollten.“
    „Und worüber?“
    Sie sieht unsicher aus. Das ist gut. Dieses Treffen sollte besser nicht zu einem Erfolg werden, den sie gern noch mal wiederholen will.
    „Ich fand es cool, mit dir zusammen auf dem Fest zu sein“, murmelt Arendse nervös. Ich bin kurz davor, „Danke, gleichfalls“ zu sagen, denn wir hatten tatsächlich ein paar nette Stunden am Strand zusammen.
    Stattdessen mime ich den Erwachsenen: „Ja, Arendse, es war nett, aber wir werden uns nicht wiedersehen. Ich hoffe, du verstehst das.“
    „Aber warum denn nicht?“
    „Weil du …“ Ich senke meine Stimme zu einem Flüstern. „Weildu so viel jünger bist als ich. Du solltest dir einen Typen in deinem Alter suchen.“
    „Die Jungs in meinem Alter sind alle total unreif.“
    „Dann such dir eben einen aus der Achten.“
    Zum Glück sieht sie nicht so aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Damit könnte ich auch gar nicht umgehen. Im Café ist es voller, als ich gedacht hatte. Normalerweise ist montags nie jemand hier, aber heute ist der letzte Tag der Osterferien, sodass überall Leute über ihrem Brunch sitzen. Ein Paar Mitte zwanzig glotzt uns die ganze Zeit vom Nebentisch aus an. Wenn ich das nächste Mal mit jemandem „Schluss mache“, wähle ich garantiert einen anderen Ort. Ich entscheide mich, die Sache abzuschließen und so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Vielleicht bringt mir das den Titel des weltgrößten Arschlochs ein, aber wenigstens bin ich ein verantwortungsbewusster Arsch.
    „Hör mal, Arendse, aus uns beiden wird kein Paar werden. Ich hoffe, du verstehst das.“
    „Hast du vielleicht eine andere Freundin?“
    „Nein, habe ich nicht, aber …“
    „Warum können wir uns dann nicht treffen?“
    Sie hat ihre Stimme gehoben und das junge Paar nebenan spitzt die Ohren.
    „Kannst du nicht ein bisschen leiser sprechen?“
    „Warum? Hast du etwa Angst davor, dass die Leute hören, was du getan hast?“
    „Ja und Nein! Es hätte nicht passieren dürfen …“
    „Aber es ist nun mal passiert.“
    „Und das tut mir auch leid, aber ich habe geglaubt, du wärst sechzehn.“
    „Das bin ich auch. Innerlich.“
    Einen Moment lang tut sie mir leid. Es vergehen einige Sekunden, in denen keiner von uns etwas sagt. Eigentlich gibt es auch nicht mehr viel hinzuzufügen. Wir müssen uns an dieser Stelle trennen, weil es das einzig Richtige ist. Bevor das Schweigen zu unangenehm wird, kann sich einer von uns, und derjenige werde ich sein, höflich verabschieden. Ich drücke kurz ihre Hand. „Tschüss, Arendse.“
    Ich schaffe es gerade mal, meinen Hintern zehn Zentimeter vom Stuhl zu heben.
    „Setz dich!“ Arendse sieht nicht aus wie ein Mädchen, das gerade abserviert wurde. Ihr Blick ist stahlhart. „Ein Mädchen aus meiner Klasse, Molly, wird am Freitag vierzehn und gibt eine große Party.“
    „Aha. Dann viel Spaß.“
    Diesmal gelingt es mir, ganz aufzustehen, bevor sie weiterreden kann.
    „Du musst mitkommen!“
    Das ist keine Frage, sondern ein Befehl. Ich lasse mich wieder auf den Stuhl fallen. Das Paar am Nebentisch versucht immer noch, das Drama in allen Einzelheiten zu verfolgen. Ich sehe sie böse an und lehne mich wieder über den Tisch. „Ich muss was?“
    „Du musst mit. Man darf gerne seinen Freund mitbringen. Es kommen ganz viele Leute. Alle aus meiner Klasse und der Parallelklasse und …“
    „Jetzt hör aber mal auf. Ich bin nicht dein Freund.“
    Arendse denkt einen Augenblick nach. Sie ist nicht dumm. Sie weiß, dass ich recht habe, aber leider hat sie den Trumpf in der Hand und scheut sich nicht, ihn auszuspielen.
    „Dann werde ich sagen, dass du mich vergewaltigt hast.“
    Die Frau am Nachbartisch verschluckt sich an einem Stück gebratenem Speck.
    „Komm. Raus.“ Ich stehe auf und zerre Arendse aus dem Café. Ein kalter Wind weht vom Wasser heran und wirbelt ihre roten Haare hoch. Die grelle Aprilsonne schneidet in den Augen wie Glas. Arendse verschränkt die Arme vor der Brust. „Du kommst am Freitag mit. Ich habe all

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