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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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ein.“
    „Vielleicht sollte sie das besser tun“, sage ich. Über alle erdenklichen Möbel werden große Mengen an Alkohol verschüttet, und ein dürres Mädchen ist auf einem Sofa bereits in einenkomatösen Schnapsschlaf versunken. Ich kontrolliere den Puls und bitte ein paar ihrer Freundinnen, bei den Eltern der Betrunkenen anzurufen.
    „Nee, jetzt mal ehrlich“, sagt ein Mädchen in einem Glitzertop. „Ihre Eltern werden stinksauer sein!“
    „Stimmt“, ergänzt ihre Freundin, die eine Zahnspange trägt, „denn dasselbe hat sie letzte Woche schon mal gemacht.“
    „Wie heißt sie?“
    „Sille“, lispelt das Flittertop und macht sich einen neuen Breezer auf.
    „Gut, dann ruft ihr jetzt bei Silles Eltern an.“
    „Jetzt mach hier mal nicht so den Macker.“
    Sie sehen mich an, als wäre ich die älteste und peinlichste Person der Welt, dann winken sie irgendwelchen Jungs zu.
    „Weißt du, wie ihre Eltern heißen?“
    Arendse zuckt mit den Schultern. Ich zerre das Handy aus der Gesäßtasche der Betrunkenen und finde Mama Handy in ihrer Kontaktliste. Nach dem sechsten Klingeln habe ich eine genervte Mutter am Telefon, die gerade „auf einer Gesellschaft“ ist. Ich erzähle ihr, dass ihre Tochter von der Party abgeholt werden muss. Am anderen Ende der Leitung entsteht eine kurze, ungeduldige Pause, bis die nicht sonderlich besorgte Mutter sagt, tja, dann sollten sie wohl besser gleich losfahren.
    „Danke!“, sage ich und schiebe das Handy wieder in Silles Hosentasche.
    Danach will Arendse tanzen. Ich weigere mich. Sie legt mir die Arme um den Hals und flüstert, dass gerade alle aus ihrer Klasse gucken, und ob ich sie nicht eben mal küssen könnte?
    „Arendse, ich fahre jetzt nach Hause.“
    „Dann erzähle ich es. Und zwar wirklich!“
    „Ja, dann nichts wie raus damit.“
    Plötzlich sind mir Polizei, Schande und Verhaftung gleichgültig. Okay, vielleicht nicht völlig gleichgültig, aber so kann es einfach nicht weitergehen. Ich hätte mich nie erpressen lassen dürfen, weder mir zuliebe, noch ihr zuliebe.
    „Küss mich jetzt!“
    Sie drückt ihre Lippen auf meine. Ich lasse den amateurhaften Kuss drei Sekunden lang über mich ergehen, ehe ich sie ruhig von mir wegschiebe. Dabei werden wir aus allen Ecken des Wohnzimmers genau beobachtet. Arendse klammert sich an mich. Sie hat eine Fahne.
    Ich packe ihre Handgelenke, nehme ihre kleinen Hände von meiner Schulter und sage, dass ich jetzt gehe. Arendses Augen füllen sich mit Tränen. Sie dreht sich um und rennt die Treppen zum ersten Stock hoch. Jetzt heißt es nichts wie weg, aber ich komme nur bis zum nächsten Zimmer, wo mich das zweite dreizehnjährige Problemkind in meinem Leben aufhält. Carl-Philip ist nämlich auch hier. Ziemlich blau und in Gesellschaft seiner Kumpels. Anscheinend gehen sie in Mollys Parallelklasse. Ehe ich es mich versehe, haben sie mich an eine Wand gedrängt und fragen mich aus, wann ich ihnen endlich „dieses Hasch“ besorge. Carl-Philip wirkt trotz seines Vollrauschs auf einmal sehr unsicher. Vermutlich weil er diesen Typen irgendetwas versprochen hat, das ich nicht vorhabe, einzulösen. Es ist deutlich, dass er am Rande der Gruppe steht, am weitesten von dem Anführer entfernt und in der Rangordnung an unterster Stelle. Seine Bedeutung beschränkt sich auf das, wozu man ihn ausnutzen kann, und wenn er seine Aufgabe nicht erfüllt, kann er schnell wieder rausfliegen. Ich bekomme Mitleid mit ihm und rede mich raus, und dann sind die Typen auch schon weg. Sie versammeln sich um einen Tisch mit Getränken und gießen Cola in ihre Pappbecher. Der Anführer, ein unsympathischer Typ mitstrohblonden Stoppelhaaren und angehender Akne, schenkt den anderen Rum ein. Carl-Philip bekommt am wenigsten.
    War ich früher auch so?
    Natürlich haben wir Alkohol getrunken, manchmal auch etwas zu viel, aber trotzdem habe ich diese Zeit irgendwie unschuldiger in Erinnerung. Vielleicht täuscht mich auch nur das Gedächtnis, denn eigentlich ist es erst fünf Jahre her, und so viel kann sich in dieser Zeit doch wohl kaum verändert haben.
    Ich habe gerade die Einfahrt verlassen, als mein Handy klingelt. Es ist Liv. Nick ist bei ihr und sie fragt, ob ich mit den beiden weggehen wolle. Sie hat keine Lust, den ganzen Abend zu Hause rumzusitzen, denn die Stimmung ist gerade auf dem Tiefpunkt. Carl-Philip hat Hausarrest und hat sich trotzdem über die Hintertreppe aus dem Haus geschlichen. Bestimmt ist er auf irgendeine Party gegangen,

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