Spieglein, Spieglein an der Wand
und ihre Eltern sind außer sich vor Wut.
Ich bleibe kurz stehen und grüble, während Liv immer weitersabbelt. Mein erster Gedanke ist, was für ein Riesenarschloch ich Carl-Philip gegenüber bin, wenn ich seiner großen Schwester verrate, wo er sich gerade befindet. Der zweite Gedanke, wie sauer Liv auf mich sein wird, wenn sie später herausfindet, dass ich Carl-Philip auf einer Party gesehen habe, ohne es ihr gegenüber in diesem Gespräch zu erwähnen. Und schließlich der dritte und letzte Gedanke: Wenn Liv hierherkommt, wird sie mich irgendwann fragen, was um alles in der Welt ich auf einer solchen Party mache.
„Hallo? Mateus? Bist du noch dran?“
„Äh … ja. Liv, da ist etwas, das du wissen solltest …“
Nicht einmal eine Viertelstunde später braust Liv in einem der Autos ihrer Eltern um die Ecke. Nick sitzt auf dem Beifahrersitz und klammert sich dramatisch an den Handgriff über derTür. Liv macht eine Vollbremsung und springt aus dem Auto. „Wo ist er?“
„Liv, jetzt beruhig dich erst mal …“
„Oh Mann, du fährst ja wie eine gesengte Sau“, sagt Nick lachend, als er aussteigt.
Ich halte Liv auf, die schon auf das Haus zumarschiert: „Alle seine Freunde sind da drin.“
„Meine Eltern machen sich wahnsinnige Sorgen. Und das weiß er ganz genau.“
„Er ist erst dreizehn, einen Dreck weiß man in dem Alter.“ Nick nimmt Liv die Schlüssel aus der Hand und schließt das Auto ab. „Wenn du jetzt da reingehst und eine Szene machst, wird er zum Gespött seiner Freunde.“
„Das ist aber nicht mein Problem. Außerdem sind diese Freunde es überhaupt nicht wert, sie behalten zu wollen. Kleine, verwöhnte Scheißgören. Ich weiß genau, wie die drauf sind.“
„Ja, es sind Vollidioten“, sage ich. „Aber kannst du nicht wenigstens mich oder Nick schicken, um ihn zu holen?“
„Ich hasse es, dass er so vor ihnen kriecht. Sie behandeln ihn total demütigend.“
„Aber so ist es nun mal. In ein paar Jahren wird er sie links liegen lassen und sich coolere Freunde suchen“, springt mir Nick zur Seite.
„Bist du sicher?“
„Seine große Schwester hat sich ja schließlich auch uns gesucht, oder?“
Liv will Nick einen Schubs geben, dann hält sie mitten in der Bewegung inne, und ich weiß, dass ihr DIE Frage in den Sinn gekommen ist. Sie sieht mich an: „Aber was machst du eigentlich hier?“
Es dauert eine halbe Stunde, die ganze Geschichte von Anfang an zu erzählen. Ich lasse nichts aus. Nicht einmal das groteske Erwachen im Hotelzimmer mit dem Auftritt von Arendses Mutter, die von der Konfirmation im nächsten Jahr spricht, während ich unter dem Bett liege. Mittendrin fällt mir auf, dass bisher nur Juliane und Rasmus die Geschichte kannten. Es fühlt sich total falsch an, dass ich etwas so Wichtiges ihnen erzählt und es vor Liv und Nick geheim gehalten habe. Denn schließlich sind sie diejenigen, die immer für mich da sind. Sie sind die Spieler am Rande des Feldes, die man früher oder später immer braucht.
Liv sieht zu dem Haus hoch: „Das heißt, sie ist jetzt da drinnen?“
„Ja, ich habe ihr gesagt, dass der gefakte Freund jetzt geht, und sie wurde traurig. Das hätte ich gern vermieden, das hat sie ja nicht verdient.“
„Na ja, ich finde eigentlich, dass sie ziemlich durchtrieben war“, entgegnet Liv.
Es überrascht mich, dass sie nicht Arendses Partei ergreift. Sie hat mir auch nicht vorgeworfen, ein ekliges Schwein zu sein.
„Glaubst du, sie macht mit ihren Drohungen ernst?“, fragt Nick.
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Liv, „aber lasst mich mal mit ihr reden.“
„Äh, dich?“
„Ja, wenn ihr meinen kleinen Bruder holt, rede ich mit dieser Arendse. Kommt.“
Drinnen im Haus läuft die Party mittlerweile richtig auf Hochtouren. Liv geht mit einer Personenbeschreibung von Arendse nach oben und Nick zu Carl-Philip und seiner Bande. Er wird wie ein König empfangen, aber er ist ja auch cooler als ich. Irgendwann nimmt er Carl-Philip zur Seite, sagt zwei Sätze und kommt zu mir zurück.
„Er kommt in zehn Minuten raus zum Auto. Ansonsten: Krasse Party, die diese Kleinen hier feiern. Wo sind denn eigentlich die Eltern?“
„Nicht zu Hause.“
„Und wer ist die da?“ Nick zeigt auf die Sofaecke, wo eine asiatisch aussehende Frau gerade darum bemüht ist, Sille auf die Beine zu stellen.
„Die heißt Sille. Ich habe vor einiger Zeit ihre Mutter angerufen und sie gebeten herzukommen.“
„Aber das kann doch unmöglich
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