Spieglein, Spieglein an der Wand
ich?“
„Weil … Sie ist ja erst dreizehn.“
„Wieso? Du hast sie doch nicht vergewaltigt, oder?“
Ich schüttele eifrig den Kopf. Liv kommt herbei und tätschelt meine Wange, als wäre ich ein kleiner, dummer Hund, der schon wieder auf den Teppich gepinkelt hat. „Das war wirklich total dämlich von dir, Mateus. Aber du wusstest es ja nicht besser.“
Unten hat Nick gerade die ungebetenen Gäste vor die Tür gesetzt. Mollys große Schwester ist so begeistert von ihrem Retter, dass sie ihn mit ihren Brüsten in eine Ecke gedrückt hat. Anscheinend hat sie völlig vergessen, dass sie die Party der kleinen Schwester beaufsichtigen soll.
Dann hat Nick uns erblickt: „Alles okay?“
Ich nicke. Liv erkundigt sich nach Carl-Philip.
„Der liegt transportbereit im Auto.“
„Gut, dann lass uns mal losdüsen.“
Mollys große Schwester sieht Nick enttäuscht nach, als er den Arm um Liv legt und den Gartenweg entlanggeht.
„Danke für den schönen Abend“, sage ich und hoffe, dass man die Ironie durchhört.
10. April
Sie sind nackt. Von Kopf bis Fuß weiß und goldfarben bemalt, ansonsten splitterfasernackt. Ihre einzige Bekleidung besteht aus Halbmasken, die mit weißen Federn besetzt sind. Es sind zwölf, allesamt Männer, alle durchtrainiert, und sie räkeln sich in zwei Metern Höhe. Deshalb lässt sich feststellen, dass die Goldfarbe gründlich verteilt wurde. An jedem Ende der Halle gibt es einen langen Bartresen mit jeweils acht Barkeepern. Auch sie tragen Körperbemalung statt Kleidung, durften jedoch mikroskopisch kleine Goldpants anbehalten. Ihr Oberkörper ist lediglich mit weißen Flügeln aus echten Federn bekleidet.
Nick kommt herbeigeschossen. „Hast du die Goldvögel schon gesehen?“
„Wo?“
Ich hatte schon vier Drinks, obwohl wir erst seit einer Stunde hier sind. Gerade trinke ich meinen dritten White Russian, davor musste ich eine Piña Colada runterwürgen, weil ich so dumm war, Liv die Entscheidung für die Getränke zu überlassen.
„Da!“, sagt Nick und zeigt nach oben.
Wir tranken im Kastellet Bier, nachdem wir Carl-Philip nach Hause gebracht hatten. Kaum hatten wir ihn bei den Eltern abgeladen, waren wir aus der Villa geflüchtet, damit er seinen Anpfiff nicht vor Zeugen entgegennehmen musste. Der Vorgartenroch nach feuchter Erde, und es war klar, dass es noch viel zu früh war, um nach Hause zu gehen. Das Kastellet machte um Mitternacht zu, doch dann fielen mir die beiden Einladungen auf meinem Schreibtisch wieder ein. Es gelang uns, zu dritt hineinzukommen, allerdings nur, weil Lasse mich gesehen hatte. Der Türsteher kontrollierte akribisch jede Einladung und begutachtete alle Gäste. Weil wir weder verkleidet waren noch anderweitig schwul aussahen, konnte er uns anscheinend unter gar keinen Umständen alle drei hereinlassen. Nick war kurz vorm Ausrasten, als Lasse den Flur entlanggelaufen kam. Er nickte dem Türsteher zu – und schon waren wir drin.
„Wo denn?“
„Da oben! Zwischen den Lampen. Einer hängt hier, der andere drüben am anderen Ende.“
Ich sehe nach oben und spüre die weißen Russen in meinem Kopf.
„Ziemlich scharf, was?“ Nick klopft mir auf die Schulter und geht weiter.
Erst jetzt sehe ich den goldenen Käfig. Er hängt etwas zehn Meter über dem Boden, darin sitzt eine Frau auf einer Schaukel. Sie ist nackt, ebenfalls goldfarben und mit Federn auf Rücken und Armen beklebt. Jetzt schlingt sie ihre Beine um die oberen Gitterstäbe des Käfigs und lässt sich kopfüber nach unten hängen. Ihre Brüste zeigen in meine Richtung.
„Das muss eine Zirkusartistin sein.“ Liv hat sich mit einer neuen Piña Colada neben mich gestellt. „Sonst kann man seinen Körper nicht so biegen.“
„Und nackt ist sie auch“, stelle ich fest.
„Ja, eklig, man kann ihr direkt zwischen die Beine gucken.“
„Das kann man bei den Typen aber auch“, sage ich und nicke zu dem nächsten Podest rüber.
„Ja, aber da ist es irgendwie mehr in Ordnung.“
Mit diesen Worten ist sie wieder in der Menge verschwunden. Inzwischen haben die Leute zu tanzen begonnen. Die Körper wogen dicht an dicht und viele sind halb nackt. Äußerlich tragen sie nicht viel Stoff, durch ihre Adern scheint dagegen umso mehr davon zu rauschen. Es wird offen konsumiert. Die Stimmung ist angestrengt aufgeheizt. Dies soll das wildeste Fest werden, das es je gegeben hat.
Als ich wieder an der Bar stehe, kommt Rasmus. Er ist geschminkt und hat keine Ähnlichkeit mehr mit dem
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