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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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Typen, mit dem ich seit zwei Jahren zur Schule gehe. Wahrscheinlich ist er auch nicht mehr er selbst. Er umarmt mich und küsst mich hastig auf den Hals, und genau das hat er vorher noch nie getan – aber dies ist ja auch ein großer Abend. Er brüllt mir irgendwas ins Ohr und fährt sich mindestens zwanzig Mal mit den Händen durch die Haare, die weiß und glitzernd gepudert sind.
    „… auf dem Thron?“
    Was?
    Irgendetwas mit dem Engel.
    Um ein rundes Podest mitten im Raum stehen weiße Sofas, die nicht genutzt werden. Wahrscheinlich, weil die drei Lasse-Klone, die danebenstehen, alle Leute davon wegscheuchen. Rasmus wendet sich zur Bar, um sich einen Drink zu bestellen. Er redet dabei immer weiter, aber ich gehe trotzdem weg, kann ihn heute Abend nicht ertragen und spüre immer noch den Abdruck seiner Lippen auf meinem Hals …
    Liv tanzt. Ich beobachte sie lange, bis ich merke, dass auch mich jemand beobachtet. Juliane. Ihre Augen verraten, dass sie mich durchschaut hat wie eine leichte Matheaufgabe. Die Lösung für Mateus lautet: bemitleidenswert. Ich habe ihr in den letzten zwei Wochen mindestens zehn SMS geschrieben und siehat keine davon beantwortet. Sie kehrt mir den Rücken zu. Ihr Kleid ist hinten so tief ausgeschnitten, dass man sehen kann, dass sie keine Unterhose trägt. Das bringt mich für einen kurzen Moment aus der Fassung.
    Dann geht es auf die Tanzfläche, wo ich nach einer Stunde versuche, Liv zu küssen, die lacht und behauptet, das würde ich immer versuchen, wenn ich betrunken wäre. Ich kann mich nicht daran erinnern, es je versucht zu haben, vielleicht habe ich also so viel getrunken, dass ich mich morgen an nichts mehr erinnern werde. Wäre eigentlich ärgerlich, denn trotz Livs Händen, die mich wegschubsen, und Julianes Hintern unter dem Kleid, den ich auch nicht anfassen darf, ist dies die tollste Party, auf der ich je gewesen bin. Jetzt feiern sogar die Engel mit. Als es mehr als spät ist, schweben sie an Drähten von der Decke herab. Der größte Engel lässt sich auf dem verbotenen Podium nieder, denn er ist der Erzengel, der all dies arrangiert hat. Sein Gesicht ist hinter einer weißen Maske verborgen und er trägt sogar weiße Handschuhe.
    Nick taucht auf, um eine kurze Bemerkung loszuwerden: „Ist das etwa der Engel? Der ist doch vollkommen lächerlich!“ Dann ist er wieder weg. Sicher hat er irgendwo neue Freunde mit gutem Stoff gefunden.
    Der Engel sitzt auf seinem Podium und wacht über der Party wie irgendein selbst ernannter Jesus, der das Recht hat, über die Lebenden und die Toten zu richten. Ich gehe hinauf und setze mich ihm gegenüber. Einige der kleineren Engel rutschen nervös auf ihren Sofas hin und her, bereit, mich jeden Moment zu verjagen, aber der Erzengel erteilt keinen entsprechenden Befehl.
    „Du kanntest meinen Freund“, rufe ich, um die Musik zu übertönen. „Er hieß Jonathan. Er kam zu diesen Partys.“
    Ich sage bewusst nicht „deinen Partys“, weil ich Mr Eingebildet diesen Gefallen nicht tun will. Ich ziehe das Foto von Jonathan aus meiner Hosentasche und reiche es dem Engel. „Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Er verschwand im September vor eineinhalb Jahren.“
    Nicht mal so etwas wie ein „Aha“ gibt er von sich. Die Augen hinter der weißen Maske sind vollkommen emotionslos.
    „Kanntest du ihn?“, frage ich. „Weißt du, warum er in dieser Szene war?“
    „Warum bist du gekommen?“ Die Stimme des Engels klingt aufgesetzt tief. Als würde er sie absichtlich verstellen.
    „Ich suche nach Jonathan“, antworte ich. „Oder nach einer Antwort, was mit ihm passiert ist.“
    „Dein Freund war mein Liebhaber.“
    Darauf fällt mir nichts mehr ein. Nicht einmal ein „Das ist ja unglaublich!“ kommt über meine Lippen.
    „Wir haben uns auf meiner zweiten Party kennengelernt“, fährt er fort. „Er wollte einen Artikel über mich schreiben.“
    „Über dich?“
    „Ist das denn so schwer zu verstehen?“
    Ich antworte nicht. Hier soll es nicht um mich gehen.
    Der Engel macht eine affektierte Handbewegung. „Wir haben uns mehrmals getroffen. Er war sehr interessiert daran, etwas über die neuen Strömungen in der Schwulenszene zu erfahren.“
    „Meinst du diese Selbstjustiz-Gruppe, die du ins Leben gerufen hast? Bei der auch Lasse dabei ist?“
    Die Reaktion hinter der Maske ist nicht klar zu erkennen, aber der Engel richtet sich auf dem Sofa auf. Ich würde ihm am liebsten erzählen, dass ich das Video mit der

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