Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Panik erfasste sie, als ihre blankliegenden Nerven wie durch einen Blitzschlag abrupt die Wahrheit erfassten. Heiße und kalte Wellen durchfluteten ihren Körper abwechselnd im Millisekundentakt. Es waren nicht die Fahrzeuge hinter ihr, die sie in den Zustand panischer Angst versetzten. Es war der junge Mann, der sie aus dem Fond ihres eigenen Wagens angrinste. Mit der schwarzen Baseballmütze, die er verkehrt herum angezogen hatte, sah er fast aus wie ein Teen. Die runden Gläser seiner Brille erinnerten Evelin an Harry Potter. Doch das fiese Grinsen passte weder zu einem Teenager noch zu dem Zauberlehrling.
"Guck besser auf die Straße", ermahnte sie der Fremde, in dem sie nach Svens Phantombild sofort den Mann erkannte, der Frank getötet hatte.
Die Stimme des Mannes brach den Bann, der sie in eine Lähmung des Entsetzens versetzt hatte. Ruckartig brachte sie den Ford wieder in seine Spur, denn es fehlten nur noch wenige Zentimeter, die ihn von dem LKW auf dem Nachbarfahrstreifen trennten.
Dann spürte sie rechts an ihrem Hals etwas. Etwas Kaltes, Spitzes berührte sie nicht nur, sondern bedrängte sie derart, dass sie sich ein wenig nach links neigte.
"Du wirst tun, was ich sage." Die Stimme drang von weit entfernt durch das Rauschen ihres eigenen Blutes, das in ihr zu kochen schien und in ihren Ohren dröhnte. "Wenn nicht, wird sich dieses Messer ganz schnell sehr tief in deinen Hals bohren. Es wird bis in deine Luftröhre vordringen, und das Blut wird in deine Lungen laufen. Qualvoll wirst du langsam an deinem eigenen Saft ersticken."
Woher sie die Kaltblütigkeit nahm, konnte sie nicht sagen, aber sie antwortete: "Dann würden Sie sich selbst mit umbringen. Ich glaube kaum, dass sie das wollen." Ihre Stimme entsprach genau dem Gegenteil von ihrem tatsächlichen Zustand: Sie war fest, klar und laut.
Ein hämisches Lachen war die Reaktion. "Das glaubst aber auch nur du. Was habe ich denn zu verlieren? Ich bin ein zweifacher Mörder. Der Tod wäre immer noch besser als der Knast. Aber du wirst es sowieso nicht ausprobieren, denn du hast viel zu viel Angst vor den Folgen. Und jetzt wirst du immer schön auf der Autobahn bleiben, bis ich dir etwas anderes sage."
Gerade in diesem Moment kam eine Abfahrt, und Evelin hatte nichts Besseres zu tun als auf den Verzögerungsstreifen zu wechseln. Der Schmerz war unbeschreiblich. Mit einem furchtbaren Ruck drang der Stahl in ihren Hals ein. Nicht einmal sehr tief, aber Evelin schrie gellend auf und verriss das Lenkrad. Mit aller Gewalt versuchte sie, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen.
Das Messer war plötzlich verschwunden, dafür spürte sie eine warme Flüssigkeit den Hals herablaufen.
Auf der linken Seite näherten sie sich bedenklich einem Reisebus. Erst im allerletzten Moment konnte sie einen Zusammenstoß verhindern. Rechts neben ihnen ertönte eine Hupe. Kurz darauf zog mit überhöhter Geschwindigkeit ein großer Mercedes vorbei. Dann hatte Evelin den Fiesta endlich wieder in der Gewalt.
Keine Sekunde später war das kalte Metall wieder da. Die Spitze drückte sich tief in ihren Hals, gerade noch so schwach, dass es nicht an der neuen Stelle zu bluten begann.
"Siehst du", sagte der Mann hinter ihr scharf, "du hättest das Auto jetzt auch in den Bus krachen lassen können, aber du hast es nicht getan. Zum einen hängst du zu sehr an deinem eigenen Leben, und zum anderen weißt du genau, dass bei einer Massenkarambolage unzählige unschuldige Menschen sterben würden. Vielleicht wären sogar kleine Kinder dabei, oder nette Männer, wie dein Frank einer war, die dann niemals wieder zu ihren wartenden Frauen zurückkehren. Das möchtest du doch nicht! Und ich weiß, dass du das nicht möchtest. Ich bin einfach zu schlau für euch. Weißt du, ich werde immer gewinnen, weil ich genau weiß, was ich tue."
Evelin begann zu zittern, so stark, dass sie Schwierigkeiten hatte, das Lenkrad festzuhalten. Das Schwein hatte Frank auf dem Gewissen. Frank. Ihren Frank. Und nun war sie in der gleichen Situation wie er. Würde sie sterben? Wäre es schlimm, wenn sie es tun würde? Vielleicht wäre sie dann wieder mit Frank vereint. Oder würde sie in die Hölle kommen, weil sie ihren Mann betrogen hatte? Gab es eine Hölle? Gab es einen Himmel?
In diesem Moment wurde es ihr gleichgültig, ob sie sterben würde, solange sie davor nicht allzu sehr leiden musste. Aber der Mann hatte natürlich recht. Sie konnte nicht das Leben von Anderen aufs Spiel setzen. Irgendwann würden
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