Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
Melanie hatte sie vor so vielen Jahren »gerettet«, sie hatte sie Whitney vorgestellt und ihr eine Bestimmung gegeben, fast schon eine Art Lebensinhalt. Sie war gescheit gewesen, hatte aber keine Chancen gehabt, nicht mit ihrer Mutter, einer ständig betrunkenen Prostituierten, die sie bereitwillig an jeden Mann verkaufte, der ihr ein Getränk ausgab. Melanie ließ ihr Fenster nachts immer offen, damit Sheila einen Ort hatte, an dem sie sich verstecken konnte, wenn es zu schlimm wurde. Melanie war diejenige gewesen, die sich ihren neuen Namen einfallen ließ, und Whitney hatte sie mit ihrer Identität versehen.
»Es sind schwierige Zeiten«, gestand Sheila. Sie gestattete sich, ihren Blick durch das Restaurant gleiten zu lassen. Sie kannte drei von Whitneys privaten Soldaten, die im Raum verteilt waren, vom Sehen, und sie wusste, dass noch mehr von ihnen da waren. Ihr Herz begann, heftiger zu schlagen, und ihr Mund wurde trocken. Sie trank noch einen Schluck Wein. »Wir verlieren Leute, und Whitney glaubt, jemand könnte es auf dich abgesehen haben.«
Melanie blinzelte. Bedächtig stellte sie ihr Weinglas ab. »Das ist unmöglich. Niemand kann mich mit Whitney in Verbindung bringen. Wir haben uns große Mühe gegeben, um sicherzugehen, dass sich nichts zu ihm zurückverfolgen lässt. Ich habe mich in eine ausgezeichnete Stellung hochgearbeitet, um ihm zu helfen, und mein Ruf ist makellos.«
»Trotzdem ist es eine schlechte Idee, dass wir uns in dieser Form treffen. Ich habe versucht, es dir zu sagen, aber du warst so beharrlich.«
Melanie nickte. Sie senkte ihre Stimme und sah sich wachsam um. »General Ranier war wütend über die Befehle, und er ist zu den Schattengängern rausgeflogen, um sich persönlich mit ihnen zu unterhalten. Er hat nur seinen Piloten mitgenommen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mich eng mit seinem Piloten anzufreunden, und Hank hat mir erzählt, der General hätte ihm befohlen, bei dem Hubschrauber zu bleiben. Er ist allein ins Haus gegangen und einige Zeit dortgeblieben. Als er rauskam, hat er kein Wort zu Hank gesagt und war offensichtlich aufgebracht. Ich glaube, er hält die Befehle für eine Art abgekartetes Spiel.«
Sie sah Sheila fest in die Augen. Sheila bemühte sich sehr, nicht zusammenzuzucken. Sie nickte kaum merklich.
Melanie sah sie stirnrunzelnd an und trank langsam noch einen Schluck Wein, ehe sie das Glas abstellte. Ihre Finger spielten unruhig mit dem Stiel des Glases. »Wer ist das Opfer?«
Sheila schüttelte den Kopf. »Sam Johnson, der Ziehsohn des Generals.«
Melanie verschluckte sich. »Soll das ein Witz sein? Der General wird ausrasten. Das ist Wahnsinn. Hast du versucht, es Whitney auszureden?«
»Im Moment ist es unmöglich, mit ihm zu reden. Er hat sich viel vorgenommen und ist entschlossen, seine eigenen Ziele energisch voranzutreiben. Er versteht sich wieder sehr gut mit Violet Freeman, und die beiden haben einen neuen Plan ausgeheckt, über den er nicht mit mir gesprochen hat. Im Moment ist er sehr zielstrebig und voller Antriebskraft.« Sheila sah sich wieder in dem Raum um.
Es war Melanies Lieblingsrestaurant. Die Beleuchtung war gedämpft, das Essen hervorragend, und die Kellner sahen gut aus. Sheila hatte nichts daran auszusetzen, aber sie konnte sich nicht so entspannen, wie sie es normalerweise tat, wenn ihr eines der seltenen Treffen mit ihrer besten und einzig wahren Freundin gelang. Es waren gefährliche Zeiten, ob Melanie es einsehen wollte oder nicht.
»Ich wünschte, er hätte nicht ausgerechnet den Ziehsohn des Generals ausgesucht. General Ranier ist ein anständiger Mann, ein Patriot, und er wird außer sich sein.« Sie zuckte die Achseln. »Aber andererseits ist Sam Johnson nicht sein echter Sohn.«
»Nein, er war nichts weiter als irgendein Rotzbengel, den der General auf der Straße aufgelesen und dem er ein Leben gegeben hat, das er nicht mal verdient hat«, bekräftigte Sheila.
Melanie seufzte. »Nun ja, Whitney hat diese Soldaten überhaupt erst erschaffen. Vermutlich hat er das Recht, einen oder zwei von ihnen zu opfern, wenn es dabei hilft, unser Land zu stärken. Die sind doch jedem scheißegal, weil keiner etwas von ihnen weiß. Und, ehrlich gesagt«, sie beugte sich vor, »wenn die Leute von ihnen wüssten, würde ihnen ja doch nur grausen. Im Ernst, die sind doch nicht mehr wirklich menschlich. Peter hat mal zu mir gesagt, sie sind wie Tiere, und es ist Sache ihrer Wärter, über sie zu wachen und zu entscheiden, wann
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