Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
sich ihrer Kontrolle entzog. Sie hatte ihr Leben lang auf Rache gewartet – oder auf Gerechtigkeit; das eine wäre so gut wie das andere –, doch jetzt glaubte sie, vielleicht hätte sie die ganze Zeit danebengelegen. Das hier war es, worauf sie gewartet hatte, dieser Moment, dieser Mann, und er würde ihr Leben vollständig auf den Kopf stellen.
Der Soldat trat mit beiden Stiefeln auf den Baumstamm, der daraufhin wackelte. Sie fühlte das Zwicken in ihrem Rücken, zuckte aber nicht zusammen, rührte sich nicht und gab auch keinen Laut von sich. Sie ließ ihre Augen weit offen und beobachtete Sam. Seine Haut hatte sich verfärbt und den Ton von Laub und Zweigen angenommen, die in einer dicken Schicht auf dem Boden verstreut waren. Sie fühlte die Bewegung seines Arms, so langsam, dass kein einziges Blatt verschoben wurde. An seinen Augen, diesen wunderschönen dunklen Augen, vollzog sich eine subtile Veränderung – sie wurden nahezu hypnotisch, sodass sie ihren Blick selbst dann nicht hätte abwenden können, wenn sie es versucht hätte.
Der Soldat stieg wieder auf den Waldboden hinunter und trat keine zwei Zentimeter von der Stelle auf, an der Sams Arm den Stamm des umgestürzten Baumes berührte. Seine Finger rührten sich, und er sah ihr immer noch fest in die Augen, als er ganz sachte das Bein in der Tarnkleidung streifte, während der Mann den nächsten Schritt machte.
Sie hatte die Bewegung seines Armes gespürt – ein müheloses Aufrichten der Schlange, bevor sie zuschlug, federleicht und sehr behutsam.
Der Soldat machte drei weitere Schritte und wankte. Er rief etwas auf Farsi. Rechts und links von ihnen kamen ihm zwei weitere Soldaten schleunigst zu Hilfe. Derjenige, den Sam berührt hatte, sank auf den Boden; seine Hand zitterte und versuchte, sein Bein festzuhalten – das Bein, von dem sie wusste, wie beiläufig Sam es gestreift hatte. Was hatte er getan? Sie hatte keinen Laut vernommen. Keine Veränderung in seinem Gesichtsausdruck, doch er hatte den Mann an genau der Stelle berührt, sie hatte die subtile Bewegung gefühlt. Was war anders an seinen Augen? Sie schluckte und starrte weiterhin in diese hypnotischen Augen, teils unfähig, ihren Blick abzuwenden, und teils, weil sie verstehen wollte, was hier geschah.
Die beiden anderen Soldaten bezogen zu beiden Seiten ihres zu Boden gegangenen Kameraden Stellung, wobei das Bein des am nächsten Stehenden nur wenige Zentimeter von Sams Arm entfernt war. Wieder fühlte sie diese langsame, verstohlene Bewegung. Sie wusste, dass sie seinen Arm hätte loslassen sollen, doch sie ließ ihre Finger auf seiner Haut mit der seltsamen Farbe liegen. Sam war noch nicht fertig. Was auch immer er dem ersten Soldaten angetan hatte, wollte er auch dem zweiten antun, und sie war wild entschlossen, hinter seine Geheimnisse zu kommen.
Sam blinzelte nicht, und in seinen Augen schimmerte tief unter all der dunklen Tarnung ein Feuer. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Sein Blick wich ihr nicht aus. Er hätte im Gras liegen und zum weiten Himmel aufblicken können. Sie wusste, dass sich sein Herzschlag nicht im Geringsten beschleunigt hatte, da sie jeden Schlag fühlen konnte. Sein Atem ging langsam und gleichmäßig. Der Mann musste Eiswasser in seinen Adern haben, aber selbst das entsprach nicht der Wahrheit, denn sie fühlte die Glut seines Körpers.
Thorn konnte nichts gegen die Bewunderung für diesen Mann tun, die in ihr aufstieg. Er war wahrhaft gefährlich, und sie wollte hinter jedes seiner Geheimnisse kommen. Die Unterlagen über ihn hatten ihr nichts als Daten an die Hand gegeben und kaum etwas von Interesse enthalten. Er war ein Mann, den Whitney für nutzlos für sich hielt, und doch konnte er sich mittels Teleportation bewegen, und er besaß noch eine weitere unsichtbare Waffe, die sie unter allen Umständen aufspüren wollte. Hatte Whitney Sams übersinnliche Fähigkeiten ebenso wie ihre falsch eingeschätzt? Sie wusste, dass Sam genetisch verändert und seine DNA manipuliert worden war, aber es gab kaum Informationen über Sam, die über seine Verbindungen zu General Ranier hinausgingen.
Die Soldaten sprachen in einem gedämpften Tonfall miteinander. Sie übersetzte in Gedanken ihre Worte, da sie unsicher war, ob Sam die Sprache verstand oder nicht.
»Etwas hat mich gebissen. Vielleicht eine Schlange. Mein Bein brennt teuflisch, und mein Herz schlägt viel zu schnell.«
Dicke Schweißtropfen rannen über den Körper des Soldaten, und auf
Weitere Kostenlose Bücher