Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)

sah, dass er sie ansah – mit einem Ausdruck des Bedauerns. Und dann hatte er sich aus ihr zurückgezogen, und einen entsetzlichen Moment lang war es unerträglich, wieder Thorn zu sein.
    Ihr ganzer Körper erschauerte, als sei es nicht nur ein mentaler, sondern auch ein physischer Abschied gewesen. Beißend kaltes Eiswasser rauschte durch ihre Adern, und sie musste die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht klapperten. Die Narben an ihrem Körper und in ihrer Seele zogen sich zusammen und raubten ihr den Atem und den Verstand – aber nur für einen kurzen Moment. Sie war Thorn. Nichts und niemand würde ihr eine Niederlage zufügen. Sie holte Atem und wandte ihren Blick von Wärme und Glück ab. Trostlose Kälte hüllte sie von Neuem ein.
    Sam warf einen Blick auf Azami. Rylands Stimme war laut in seinem Kopf zu vernehmen, und er hatte sich noch nicht von ihr gelöst. Er wusste, dass er keine andere Wahl hatte, aber es hatte ihm noch nie so sehr widerstrebt, etwas zu tun, was für sein Team von allergrößter Wichtigkeit war. Er wusste, dass sie das Unglück in seinen Augen sehen würde, aber in dem Moment war ihm egal, wie verletzbar er ihr gegenüber war. Ihr Verlust würde ein fürchterlicher Schlag für ihn sein, nachdem sie jeden leeren Raum in seinem Inneren mit ihrer Stärke und ihrer Überzeugungskraft ausgefüllt hatte. Und mit ihrem Humor.
    Er holte tief Atem und ließ sie los. Der Verlust erschütterte ihn so sehr, wie er es schon vorher gewusst hatte, und er fühlte sich eigenartig kalt und eine verdammte Sekunde lang jeglicher Hoffnung beraubt. Er verspürte tatsächlich Trauer, ehe er resolut gegen seine seltsamen und ganz und gar unangemessenen Gefühle vorging und wieder zu Stein wurde. Er fand es befremdlich, sich so vollkommen allein zu fühlen, denn bisher hatte es ihm nie etwas ausgemacht, allein zu sein. Ohne sie in seinem Inneren kam er sich vor, als hätte er einen zu großen Teil von sich selbst verloren.
    Sam schüttelte den Kopf. Bei uns ist alles in Ordnung. Wir müssen einen Jeep voller Söldner vertreiben, und ihr habt es in diesem Hubschrauber mit ausgebildeten Soldaten zu tun, Iranern.
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, während Ryland diese schockierende Information verdaute. Bist du ganz sicher?
    Jawohl. Sind die beiden anderen Zivilisten in Sicherheit?
    Ja.
    Sam verabscheute das, was er jetzt tun würde. Schuldgefühle nagten an ihm, und er hatte einen fürchterlichen Stein in seinen Eingeweiden, aber es musste sein. Ich glaube nicht, dass Azami diejenige ist, die zu sein sie behauptet. Sie besitzt viele der Gaben, die ich besitze, genau dieselben. Sie kann sich per Teleportation bewegen, und sie hat übersinnliche Anlagen. Kaden und Nico müssen die beiden anderen ganz genau beobachten. Mir war vom ersten Moment an unbehaglich zumute, aber ich habe keine Ahnung, was hier wirklich vorgeht.
    Verstanden.
    Rylands sachliche Stimme tat ihm gut. Sam hatte von dem Moment an, als er auf die drei Besucher von Samurai Telecommunications zugegangen war, Unbehagen verspürt, aber er hatte seinem Team nicht die Warnung zukommen lassen, dass hier etwas nicht stimmte. Er hatte darauf gewartet, dass Kaden oder Nico Alarm schlug oder einer von beiden wenigstens auch den Eindruck hatte, hier stimmte etwas nicht, ein Gefühl, das er einfach nicht abschütteln konnte, aber keiner von beiden hatte etwas gesagt.
    Ich glaube, sie sind alle bis an die Zähne bewaffnet. Zumindest ist sie das mit Sicherheit, und sie kämpft wie einer von uns. Wir haben hier noch fünf Mexikaner in einem Jeep, alle anderen am Boden sind tot.
    Ein Aufräumkommando ist unterwegs, und Gator steht bereit, um sie zu beschatten. Lasst mindestens einen entkommen.
    Verstanden. Aber er hatte kein gutes Gefühl dabei, mit Azami auf die Jagd zu gehen und ihr zu gestatten, dass sie sich in Gefahr begab, wenn er sie gerade verraten hatte.
    Dr. Whitney war ein unversöhnlicher Feind, und er wollte die Kinder. Lily und Ryland hatten ein Baby auf dem Gelände, einen kleinen Jungen, und ihn zu beschützen war wichtiger als alles andere. Ein paar Meilen höher oben auf dem Berg hatte Team zwei Zwillinge, und es wurde leise gemunkelt, eine weitere Frau sei schwanger. Niemand sprach darüber, um zu verhindern, dass die Information Whitney erreichte, der überall Augen und Ohren zu haben schien. In San Francisco hatte ein weiteres Schattengängerpaar ebenfalls ein Baby, und wenn Lily diesen Satelliten von Samurai Telecommunications