Spiel der Herzen (German Edition)
untergeschoben zu bekommen, aber nicht Sissy. Sie hatte die List ersonnen, allen zu erzählen, sie und Annabel führen in den Norden, um einer Base bei der Bewältigung einer langwierigen Erkrankung zu helfen. Sie hatte sogar Briefe nach Hause geschrieben, um glücklich von dem Kind zu berichten, das sie geboren hatte. Dann hatte sie das Baby voller Freude angenommen und auch die trauernde Annabel in ihrer Familie willkommen geheißen.
Annabel wiederum hatte die Rolle der liebenden Tante übernommen und sich um das Kind gekümmert, wenn sie nicht gerade in der Brauerei war, um den Pflichten ihres Bruders Hugh nachzukommen.
»Geordie«, sagte Sissy und zauste dem Jungen das Haar, »das wollen wir lieber Annabel überlassen, nicht wahr?«
»Lass das, Mutter!« Er wich mürrisch zur Seite. »Ich bin doch kein kleiner Junge mehr!«
»Oh, er ist jetzt schon ein großer Mann, nicht wahr?«, neckte ihn Annabel.
»Ich bin ein Mann!« Wenn er so finster dreinblickte wie in diesem Moment, hatte er große Ähnlichkeit mit Rupert. »Das hat Vater gesagt.«
»Na, dann pass auf dem Weg zurück zum Gasthaus gut auf deine Mutter auf«, sagte Annabel. Gott sei Dank logierten sie ganz in der Nähe. »Ich bleibe hier.«
»Allein? Bis nach Einbruch der Dunkelheit?«, fragte Sissy beunruhigt.
»Ich werde schon zurechtkommen. Lord Jarret verlässt die Brauerei sicherlich in ein paar Stunden – er ist nicht gerade der Fleißigste. Auf der anderen Straßenseite sind viele Geschäfte, von wo ich den Ausgang gut sehen kann. Ich werde mir dort die Zeit vertreiben, bis er herauskommt.« Als Sissy immer noch besorgt wirkte, fügte sie hinzu: »Ich verspreche, ich werde vorsichtig sein.«
»Zieh wenigstens meinen Umhang über.« Sissy streifte ihn ab und gab ihn ihr. »Wenn du ihn zuknöpfst und die Kapuze über den Kopf ziehst, merkt vielleicht keiner, dass du eine Frau bist. Du bist so klein, dass er bis über deine Röcke reicht.«
Zumindest würde er sie wärmen, wenn es nach Sonnenuntergang frisch wurde. »Es kann eine ganze Weile dauern«, sagte sie, als sie ihre Haube absetzte und sie Sissy gab, um sich den Umhang überzuwerfen. »Wenn ich herausgefunden habe, wo Mrs. Plumtree ist, muss ich erst einmal zusehen, dass sie auch mit mir spricht.«
»Aber danach nimmst du dir bitte eine Droschke.« Sissy drückte ihr Geld in die Hand und den zweiten Schlüssel für ihr Zimmer. »Denk nicht einmal daran, zu Fuß ins Gasthaus zurückzukehren.«
Annabel schaute betreten auf die Münzen in ihrer Hand und bekam einen Kloß im Hals. »Tut mir leid, dass ich dich in diese Geschichte hineingezogen habe, Sissy. Tut mir leid, dass mein Bruder –«
»Schsch! Sei still«, sagte Sissy. »Du kannst doch nichts dafür. Und Hugh ist ein guter Mann, wenn er nicht gerade … Trübsal bläst.« Sie warf einen verstohlenen Blick in Geordies Richtung, der wie üblich neugierig lauschte. »Ich bin sicher, du kannst Mrs. Plumtree dazu bringen, uns zu helfen. Und wenn es dir gelingt, Lake Ale neuen Schwung zu verleihen, reißt der Erfolg Hugh vielleicht sogar aus seiner Schwermut.«
»Wir können nur hoffen«, sagte Annabel und verstaute das Geld und den Schlüssel in der Tasche des Umhangs.
Das war ihr Plan, so dürftig er auch war. Hugh hatte immer, wenn sie das Thema angesprochen hatte, Interesse daran gezeigt, in den indischen Markt vorzustoßen, aber er war zu sehr dem Alkohol erlegen, um die Sache in Angriff zu nehmen. Also hofften sie und Sissy, dass die Brauerei Plumtree sich bereit erklärte, die Vermarktung ihres Bieres zu übernehmen, und dass sie Hugh vor vollendete Tatsachen stellen konnten. Vielleicht riss er sich dann endlich zusammen, um den Plan zu verwirklichen. Wenn alles glattging, war dieses Geschäft einträglich genug, um Lake Ale wieder auf Vordermann zu bringen, was Hughs Stimmung umso mehr heben sollte.
Den Segen des Geschäftsführers hatten sie, und Annabel hoffte immer noch, Mrs. Plumtrees Unterstützung zu gewinnen, ganz gleich, was ihr arroganter Enkel sagte.
Sie straffte die Schultern. Sie würde die Hilfe der Brauereibesitzerin bekommen – mit oder ohne Lord Jarrets Zustimmung. Denn es war vermutlich der einzige Weg, wie sie ihre Familie vor dem Niedergang bewahren konnte.
3
Jarret starrte nachdenklich die halb volle Bierflasche an, die Miss Lake zurückgelassen hatte. Frauen brauten in der Regel nur Bier für ihre Schänken und den Hausgebrauch. Seines Wissens gab es außer seiner Großmutter keine Frau, die in
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