Spiel der Herzen (German Edition)
dem rauen Klima einer großen Brauerei arbeitete.
War ihm deshalb das Gerede der jungen Frau von ihrem kranken Bruder unter die Haut gegangen? Er hätte sie auf der Stelle hinauswerfen sollen, als sie von der Geschäftspartnerschaft angefangen hatte. Denn ihr Vorschlag reizte ihn durchaus. Gewagte Projekte dieser Art weckten grundsätzlich sein Interesse – und genau solche Projekte musste er meiden, wenn er den Betrieb vor dem sicheren Ruin bewahren wollte.
Mit einem tiefen Seufzer schaute Jarret auf die Zahlen, die ihn beschäftigt hatten, als Miss Lake hereingekommen war. Die Brauerei war in Schwierigkeiten. Die Probleme mit Russland hatten zu einem drastischen Rückgang der Gewinne geführt, was eine Erklärung dafür war, warum seine Großmutter so dringend jemanden gebraucht hatte, der sie vertrat.
Es war ein ungünstiger Zeitpunkt, um große Risiken einzugehen. Miss Lakes Plan konnte möglicherweise die Verluste ausgleichen, die sie durch die Russen erlitten hatten, aber er konnte sich auch als Todesstoß erweisen. Und dieses Risiko durfte er nicht eingehen.
Wenn Miss Lake das Bier tatsächlich selbst gebraut und nicht gelogen hatte, musste er allerdings zugeben, dass sie ziemlich gut war. Er konnte jedoch nicht von sich behaupten, ein Experte zu sein – es war schon lange her, dass er Bier als etwas anderes betrachtet hatte als ein Getränk, das er zu den Mahlzeiten zu sich nahm.
Der Experte war sein Großvater gewesen. Jarret dachte daran zurück, wie der alte Mann verschiedene Braumalze vor ihm aufgehäuft hatte, um ihn zu lehren, welche Biersorte man mit welcher Röstung herstellte. Er hatte ihn immer die Hefe in die Gärungsbehälter geben lassen und gesagt, dass ihm eines Tages der ganze Betrieb gehören würde. Damals war ihm vor Stolz die Brust geschwollen, und er hatte sich unglaublich darauf gefreut … bis seine Großmutter dann alles an sich gerissen hatte.
Er verzog missmutig das Gesicht. Nun war er wieder da, roch die Bierwürze und schmeckte das Jungbier. Es war, als hätten sich neunzehn Jahre einfach in Luft aufgelöst. Nur dass er sein Leben inzwischen nicht mehr der Brauerei opfern wollte.
»Croft!«, bellte er.
Der Sekretär erschien augenblicklich in der Tür. Großmutter hatte recht gehabt: Croft war zwar unbeholfen im Umgang mit Fremden und legte ein sonderbares Verhalten an den Tag, aber er kannte die Brauerei in- und auswendig.
»Würden Sie mir bitte Mr. Harper schicken?«
»Selbstverständlich, gnädiger Herr. Und ich möchte noch einmal betonen, wie leid es mir tut, dass ich diese Frau durchgelassen habe. Ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte. Sie sagten, niemand dürfe wissen, dass Mrs. Plumtree krank ist, und die Frau hat immer weiter gebohrt …«
»Schon gut, Croft. Alles in Ordnung.« Seine Großmutter hatte darauf bestanden, dass niemand außer ihren engsten Vertrauten von ihrer Erkrankung erfuhr. Sie wollte nicht, dass die Konkurrenten wie die Geier um die Brauerei kreisten, weil sie sie in einem geschwächten Zustand glaubten.
»Und wie geht es Ihrer Großmutter, wenn ich fragen darf?«
»Sie hielt sich ganz wacker, als ich sie gestern Abend verließ«, antwortete Jarret ausweichend. Dass sie sehr blass aussah und viel hustete, sagte er nicht.
Als Croft davoneilte, um Harper zu holen, geriet Jarret ins Grübeln. Er hatte erwartet, dass seine Großmutter, nachdem sie sich mit ihm geeinigt hatte, wieder ganz die Alte sein würde, doch ihr Zustand hatte sich in der vergangenen Woche verschlechtert. Dr. Wright hatte gesagt, sie leide an etwas, das sich Lungenödem nannte, und dass sie vielleicht niemals davon genesen würde.
Bei dem Gedanken, seine Großmutter könne sterben, zog sich ihm der Magen zusammen. Sie war immer da gewesen, und ihre Tatkraft und ihre große Leidenschaft für die Brauerei waren legendär. Auch wenn sie uneinig mit ihr waren, so war sie im Grunde diejenige, die alle zusammenhielt. Wenn sie starb …
Sie durfte nicht sterben. Es war unvorstellbar.
»Gnädiger Herr? Mr. Croft sagte, Sie möchten mich sprechen.«
Er sah auf. Mr. Harper, der beste Brauer des Betriebs, stand mit dem Hut in der Hand vor seinem Schreibtisch. Jarret wies auf die Bierflasche. »Ich hätte gern Ihre Meinung zu diesem Oktoberbräu gehört, Harper. Nehmen Sie sich ein Glas aus der Anrichte.«
Dort bewahrte seine Großmutter ihren Brandy auf. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. Mutter hatte sich immer dafür geschämt, dass ihre Mutter die völlig
Weitere Kostenlose Bücher