Spiel Der Sehnsucht
ihre Schwangerschaft nicht gerade erfreut war.
Der selbstsüchtige Schuft! War ihm je eingefallen, daß vielleicht auch sie nicht gerade begeistert war?
Lucy wandte sich vom Fenster ab. Sie schämte sich für ihre Gedanken. Das Taschentuch, das sie in Händen hielt, war nur noch ein zerknüllter Fetzen. Sie war glücklich darüber, Ivans Kind zu bekommen, aber die Vorstellung, es allein aufziehen zu müssen, war schrecklich. Jedes Kind brauchte einen Vater. Gerade Ivan sollte das wissen.
Und jede Frau wollte die Freuden und Leiden der Eltern-schaft mit ihrem Ehemann teilen. Und Lucy wollte sie mit Ivan teilen.
Aber Ivan weigerte sich. Er war davongeritten, so schnell er nur konnte. Würde er wieder für zwei Monate verschwinden und ihr vormachen, es ginge um Geschäf-te?
Lucy unterdrückte ein Schluchzen. In ihrem ganzen Leben hatte sie sich nicht so einsam gefühlt. Sie legte die Hände auf ihren Bauch. »Armes Baby«, flüsterte sie.
»Kein Vater, der dich liebt, und eine verabscheuungswürdige Urgroßmutter ...«
Doch es gab noch eine Großmutter, nämlich Lucys Mutter. Und einen Onkel, eine Tante, Vettern und Kusi-nen.
Obwohl ihr Herz schwer war, suchte Lucy Trost in dem Gedanken, daß ihr Kind geliebt werden würde, wenn nicht von seinem Vater, so doch von seiner Mutter und deren Familie. Anders als Ivan würde dieses Kind täglich und stündlich von Liebe umgeben sein. Und wenn es erwachsen wäre, würde es wissen, wie man Liebe gab, etwas, was Ivan leider nie wissen würde.
Ein Klopfen an der Tür riß sie aus ihren Gedanken.
Dieses leise Pochen konnte nicht von Ivan sein, er würde kaum an seine eigene Schlafzimmertür klopfen. Lucy wischte sich die Tränen ab, hob das Kinn und versuchte ein gefaßtes Gesicht zu machen. »Herein«, rief sie.
Valerie lugte herein. Ihr besorgtes Gesicht leuchtete auf. »Lucy, ich freue mich so für dich!« Sie lief auf Lucy zu und umarmte sie herzlich. »Ein Baby! Ich bin so nei-disch.«
Lucy versuchte zu lächeln, während Valerie sich auf einen Hocker zu ihren Füßen niederließ. »Nun ja. Ich hätte es gern weniger aufsehenerregend verkündet.«
Valerie lachte. »Ich glaube nicht, daß das jemandem etwas ausmacht. Die Dienerschaft ist ganz aus dem Häuschen über die Neuigkeit.« Sie hielt inne, und ihr Gesicht wurde ernst. Lucy wußte, woran sie dachte.
»Sind sie auch aus dem Häuschen darüber, daß mein Ehemann wieder davongelaufen ist?«
Valerie nahm Lucys Hand. »Es war wahrscheinlich nur zu plötzlich für ihn. Ich glaube nicht, daß er wieder so lange wegbleibt.«
Lucy konnte ihr künstliches Lächeln nicht mehr aufrechterhalten. »Du kennst Ivan nicht so gut wie ich. Er kann es nicht ertragen, zu etwas gezwungen zu werden, und schon gar nicht durch eine Frau. Er vertraut keiner Frau, und ich kann das verstehen. In seinen Augen hat seine Mutter ihn verraten. Seine Großmutter hat ihn vernachlässigt und für ihre Zwecke eingespannt. Und jetzt habe ich ihn zur Heirat verleitet.«
»Aber du wolltest ihn doch gar nicht heiraten.« Valerie unterbrach sich und runzelte die Stirn. »Das ist ein Teil des Problems, nicht wahr?«
Lucy seufzte. »Zweifellos. In seinen Augen habe ich ihn zurückgestoßen.«
»Weshalb hat er dich dann geheiratet? Aus Trotz?«
»Vermutlich«, meinte Lucy. »Ich weiß es nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Alles, was ich weiß, ist, daß er überhaupt nicht heiraten wollte, und jetzt ist er mit mir verheiratet. Wahrscheinlich wollte er auch nie Kinder haben, und jetzt wird er eines bekommen. Er ist so wütend auf mich«, fügte sie mit zitternder Stimme hinzu.
»Weiß er, daß du ihn liebst?«
Lucy sah wieder aus dem Fenster. Draußen nieselte es.
Lucy blickte wieder auf Valerie und versuchte nicht mehr, ihr Unglück zu verbergen. »Sieht man das so deutlich?«
Lächelnd antwortete Valerie: »Ich sehe es. James sieht es. Jeder, der sich die Mühe macht, genau hinzuschauen, kann es sehen.«
»Ivan sieht es nicht.«
»Er scheint mit Liebe nicht sehr vertraut zu sein. Er kann sie vielleicht gar nicht erkennen, wenn er sie sieht.
Man muß es ihm sagen. Hast du es versucht?«
Lucy dachte an die vergangene Nacht. Sie erinnerte sich, daß Ivan sie in seiner Leidenschaft ›Liebste‹
genannt hatte. Sie erinnerte sich, daß sie ihm ihre Liebe gestanden hatte. Sie wußte, daß er es gehört hatte, aber es schien ihm nichts bedeutet zu haben. »Ich habe es ihm letzte Nacht gesagt.«
Darauf wußte Valerie keine Antwort.
»Ich
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