Spiel der Teufel
haben, Geschäfte abzuwickeln,
ist doch inzwischen hinlänglich bekannt, man liest es
ja immer wieder. Ich sehe es so: Hätten sie mich tatsächlich
zwingen wollen, hätten sie mich entführen können, und keiner
hätte jemals herausgefunden, wo ich mich aufhalte. Sie würden
mich nicht bezahlen und alles tun, dass es mir oder uns schlechtgeht.
Stattdessen bieten sie mir eine Menge an - beste Arbeitsbedingungen,
hervorragend geschulte Mitarbeiter, nicht zu
vergessen das Geld. Verstehst du, was ich meine? Es geht hier
nicht um Recht und Unrecht, es geht um Menschenleben. Niemand
wird getötet, dafür werden aber viele gerettet. Verstehst
du?«, fragte er noch einmal und eindringlicher.
Kerstin drehte das Glas zwischen ihren Fingern und entgegnete:
»Du versuchst mir gerade etwas schmackhaft zu machen,
was ich nicht essen will. Warum haben sie zum Beispiel gesagt,
dass du mit mir nicht darüber sprechen sollst?«
»Ach«, winkte er ab, »sie wollen wahrscheinlich nur nicht, dass
zu viele davon wissen. Sie arbeiten im Hintergrund ...«
»Ich würde eher sagen im Verborgenen.«
»Nein, da muss ich widersprechen. Das hört sich an wie Untergrund,
wie Ratten, die das Tageslicht scheuen ... Nein, so sind
die nicht. Ich habe mittlerweile sogar ein recht gutes Gefühl bei
der Sache. Und sorry, wenn ich das jetzt sage, aber ich kann
inzwischen sogar nachvollziehen, warum sie nicht wollen, dass
ich mit dir oder jemand anderm darüber spreche. Kerstin, es
tut mir leid, aber ich muss meiner Bestimmung folgen. Erst ab
Freitag kann ich beweisen, was in mir steckt, weil ich jetzt die
idealen Bedingungen vorfinde. Meine Fähigkeiten, gepaart mit
der perfekten Ausstattung, das ist es, was ich immer wollte.
Und sie haben gesagt, sie wollen nur mit den besten Ärzten
und Chirurgen zusammenarbeiten.«
»Es ist deine Entscheidung. Ich hoffe nur, dass du nicht eines
Tages in einen Abgrund gezogen wirst, aus dem du nicht
mehr rauskommst. Ich habe Angst um dich, und die kannst
du mir auch nicht nehmen, indem du mir mit den ganzen
Vorteilen kommst oder mit deiner Bestimmung oder der Geschichte
des fünfjährigen Mädchens. Irgendwo ist ein Haken,
aber du willst ihn nicht sehen. Wahrscheinlich kannst du ihn
gar nicht mehr sehen, weil du schon dranhängst, ohne es zu
merken.«
»Warum kannst du das alles nicht einfach nur positiv sehen?
Warum musst du jedes Mal, wenn ich ein gutes Gefühl habe,
das mit deiner negativen Einstellung kaputt machen?«
Kerstin sah ihren Mann mit zusammengekniffenen Augen an,
trank ihr Glas aus und erwiderte mit scharfer Stimme, da sie
sich persönlich angegriffen fühlte: »Weil ich letzte Nacht nicht
vergessen kann, deswegen. Du weißt, ich gebe eine Menge auf
Träume. Manche bedeuten nichts, aber manche haben eine sehr
tiefe Bedeutung. Tu, was du für richtig hältst. Ich mach mich
jetzt fürs Bett fertig, auch für mich war der Tag sehr anstrengend.
Und noch was - das eben war sehr unfair. Wieso mache
ich jedes Mal mit meiner negativen Einstellung etwas kaputt?
Wer von uns beiden ist denn derjenige, der immer von Selbstzweifeln
geplagt ist? Du solltest besser dein Hirn einschalten,
bevor du redest. Mach doch, was du willst, du wirst schon wissen,
was richtig ist. Aber frag mich um Himmels willen nie
mehr um meine Meinung.«
»Kerstin, hör zu, es tut mir leid, ich hab das nicht so gemeint...«
»Ich weiß, wann du was wie meinst. Und du hast es so gemeint
und mich sehr verletzt. Und jetzt lass mich in Ruhe und zu
Bett gehen.«
»Jetzt schon? Es ist doch noch nicht mal neun«, sagte Loose.
»Na und? Ich habe Kopfschmerzen, aber das scheinst du ja
auch nicht bemerkt zu haben. Ich kann nicht mehr klar denken,
und ich will vor allem auch nicht mehr denken müssen.
Nacht.«
»Nacht.«
Ein letzter nachdenklicher und auch trauriger Blick, dann stellte
sie ihr Glas ab und erhob sich. Es schien, als wollte sie noch
etwas sagen, doch sie drehte sich um und ging zur Treppe.
Loose sah seiner Frau hinterher, wie sie beinahe mühsam die
Stufen hochging, als würde eine schwere Last auf ihre Schultern
drücken.
Er schenkte sich Wein nach, machte den Fernseher an und
zappte sich durch die Programme, bis er bei einem Thriller
hängenblieb. Nein, sie würde ihn nie verstehen, sie war eben
eine Frau, geleitet von Gefühlen und nicht vom Verstand. Sie
hatte ja auch nicht die Klinik gesehen, hatte nicht mit Koljakow
gesprochen und gegessen. Sie war keine
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