Spiel der Teufel
gestern einen leicht genervten Eindruck machte. Bisher war es
eine fruchtlose Unterhaltung gewesen, ein Dahinplätschern,
und er fragte sich, warum er überhaupt hier war und sich die
Nacht um die Ohren schlug.
»Wie schätzt du Ziese ein?«, fragte Ivana.
»Was soll mit ihm sein? Ist er etwa ein Maulwurf?« Henning
lachte nur und sah Ivana an, als wäre sie verrückt. »Der Typ
geht in zwei Monaten in Rente und hat es ganz sicherlich nicht
nötig ...«
»Sind alte Männer sauberer als junge?«, wurde er von Ivana
unterbrochen. »Sind sie weniger gierig oder machtbesessen?
Die meisten Staatsmänner und ihre Minister sind weit über fünfzig
und können den Hals nicht voll genug kriegen. Sie sagen dem
Volk, dass es den Gürtel enger schnallen soll, und sie selber gönnen
sich ein opulentes Leben. Gier und Machtstreben sind nicht
vom Alter abhängig. Sag mir, was du von Ziese hältst.«
»Ivana, was soll der Scheiß? Ziese ist alles, aber kein korrupter
Bulle. Weißt du, wie er von seinen Mitarbeitern genannt wird?
Paps. Sie nennen ihn Paps, weil er wie ein Vater für sie ist.«
»Ja, und?« Ivana beugte sich nach vorn, ihr Gesicht war nur
noch wenige Zentimeter von Henning entfernt, als sie sagte:
»Hör jetzt bitte gut zu. Ich habe in den vergangenen Jahren
eine Menge Menschen kennengelernt, gute und schlechte.
Glaub mir, ich kenne alle, sogar den Teufel. Und soll ich dir
sagen, wie er aussieht? ... Wie du und ich. Kein Stück anders.
Er trägt einen dezenten dunklen Anzug, eine Seidenkrawatte,
italienische Maßschuhe, er hat beste Manieren, ist kultiviert,
eloquent, charmant, liebenswürdig, höflich, freundlich, einfach
ein Mensch, in dessen Gegenwart man sich wohl fühlt. Mal ist
er eine schöne Frau, mal ein distinguierter Herr. Er tritt in so
vielen verschiedenen Gestalten auf, dass du ihn unmöglich erkennen
kannst. Seine Masken sind perfekt und undurchdringlich.
Aber eins ist sicher, du würdest dahinter niemals das Böse
vermuten.«
Ivana holte tief Luft und trank einen Schluck.
»Nett ausgedrückt, doch irgendwie zu pathetisch. Ich glaube
weder an Gott noch an den Teufel. Aber wenn du meinst ihn
zu kennen, bitte«, entgegnete Henning abfällig.
»Das ist dein Problem. Ich kenne ihn, ich habe schließlich jeden
Tag mit ihm zu tun. Er lacht dir ins Gesicht und tötet dich
mit seinem Lachen. Er tut es aber nicht, wenn du dich ihm bedingungslos
unterwirfst. Ich spreche übrigens nicht von einer
fiktiven Person, sondern von meinem Chef, von dem, der die
Klinik leitet. Er verkörpert genau das, was ich eben beschrieben
habe. Und seine Mitarbeiter sind ihm bedingungslos ergeben.
Sie sind wie Hunde, die ihm die Schuhe lecken. Aber über
ihm steht noch einer, Lew Luschenko. Lew, der Löwe. Wenn er
brüllt, zittern alle, selbst mein Chef.« Sie machte eine Pause,
ging in dem kleinen Zimmer auf und ab und sah Henning und
Santos an. »Nur böse Menschen können das tun, was sie meiner
Schwester und vielen andern angetan haben und immer
noch antun. Aber wenn du ihnen gegenüberstehst, siehst du
das Böse nicht, es ist unsichtbar.«
»Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Wie oft soll ich mich wiederholen? Findet den- oder diejenigen, die Gerd ermordet haben, nicht mehr und nicht weniger.
Dafür werdet ihr doch bezahlt. Wenn ihr das nicht schafft,
müsst ihr's nur sagen, dann haben wir uns heute zum letzten
Mal gesehen.«
»Ivana«, ergriff Santos jetzt wieder das Wort, »so kommen wir
doch nicht weiter. Wir tun alles, was wir können, aber wir stoßen
an ganz natürliche Grenzen. Wie sollen wir einen Mörder
fassen, der womöglich unter dem Schutz deines Chefs steht?
Wir wissen ja nicht mal, wo sich diese ominöse Klinik befindet.
Es ist unfair, uns mit Informationen zuzuschütten, aber Wesentliches
zu verschweigen. Ich gehe nämlich inzwischen davon
aus, dass du sehr wohl weißt, wo wir zu suchen haben.
Hab ich recht?«
»Ich habe nur eine Vermutung. Wer Gerd umgebracht hat, entzieht
sich meiner Kenntnis, aber bei der undichten Stelle kann
es sich nur um eine von drei Personen handeln. Gerd hat einige
Male von ihnen gesprochen.«
»Namen, wir brauchen Namen. Mach's uns doch um Himmels
willen nicht so schwer. Gerds Mutter hat uns gesagt, dass er in
seiner Abteilung keine Freunde hatte, also kann's auch niemand
von dort sein, denn er wird ja wohl mit keinem von seinen
Kollegen über seinen lukrativen Nebenjob gesprochen
haben. Oder
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