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Spiel des Lebens 1

Spiel des Lebens 1

Titel: Spiel des Lebens 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etzold Veit
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fühlte sich immer noch eingesperrt, obwohl sie jetzt den Ursprung dieser Ängste kannte. Doch hier, neben Ryan, mit seiner Hand in ihrer, war es etwas anderes. Und was sie mochte, das war immer der Moment, in dem das Flugzeug abhob. Und dann war es fast egal, wohin es ging.
    Sie drehte sich zu Ryan. »Mein Vater sagte, man müsse, kurz bevor das Flugzeug losgeht, etwas besonders Geistreiches sagen.« Sie lächelte. »Dann hat man einen guten Flug.«
    Er lächelte wieder sein Lächeln, das sie schon am ersten Abend verzaubert hatte.
    »Und?«
    »Das war eine Aufforderung, Mensch«, sagte Emily und knuffte ihn. »Du musst jetzt irgendwas Schlaues sagen.«
    »Wieso ich? Wieso nicht du?«
    »Nun mach schon!«
    Er dachte eine Weile nach.
    »Äh, ja, also … was immer mit uns geschehen sollte«, sagte er dann, »ob wir heiraten, ein Haus haben, einen Hund, Kinder, was auch immer …« Er schaute sie an. »Deinen Geburtstag, Emily, werde ich niemals vergessen.«
    Die Maschine brauste nach vorn und beide wurden in die Sitze gedrückt.
    »War das der schlaue Satz?«, fragte Emily.
    Ryan zuckte die Schultern. »Na ja«, sagte er und biss sich auf die Unterlippe. »Ich bin sonst bekannt dafür, dass ich alle Geburtstage vergesse. Aber deinen Geburtstag … «, er suchte nach Worten, »du … du bist eben etwas Besonderes.«
    Emily musste lachen. Sie hielt seine Hand fester und küsste ihn, als sich das Flugzeug erhob und langsam in den stahlblauen Himmel hinaufglitt, durch Wolkenschichten hindurch, die wie Zuckerwatte vor den Fenstern vorbeizogen und auf denen sich die goldenen Strahlen der Sonne brachen.
    Nach oben. Nach Westen.
    In ein neues Kapitel ihres Lebens.

58
    D er junge Mann, der in der ersten Klasse der British AirwaysMaschine London Heathrow – New York JFK saß, faltete die Financial Times zusammen und setzte seine Brille ab.
    »Ist der Flug vorhin um 11:25 nach New York planmäßig gestartet?«, fragte er die Stewardess.
    »Ja, Sir«, antwortete die Dame. »Alles planmäßig. Und wir werden ebenfalls in fünfzehn Minuten abheben. Darf ich Ihnen noch einen Champagner bringen?«
    »Das wäre sehr freundlich.«
    Der junge Mann lehnte sich zurück und dachte an den Tod.
    An den Tod seines besten Freundes.
    Er rieb sich die Hände und setzte seine Brille wieder auf.
    Aber wenn die Leute denken sollen, dass man tot ist, dann musste man auch tot sein. Oder?
    » New York, New York «, summte er und blickte aus dem Fenster, während draußen die Gepäckarbeiter die letzten Koffer in das Flugzeug brachten, » if you make it there, you can make it everywhere … Zeit für neue Abenteuer. Zeit für ein neues Spiel. «
    Die Stewardess brachte ihm das Getränk.
    »Genießen Sie Ihren Champagner, Mr Harker.« Sie lächelte.
    Er lächelte zurück und rückte seine Brille zurecht.
    Alles hat einmal ein Ende. Auch der Tod.
    »Danke«, sagte er. »Und nennen Sie mich … Jonathan.«

Epilog
    D as schwarze Auto bewegte sich in etwa fünfzig Meter Entfernung hinter dem Jungen her. Es kroch langsam näher, näher und näher, nicht schneller, aber auch nicht langsamer als der Junge, der vor dem kauernden schwarzen Monstrum lief.
    Für den Jungen war es heute ein besonderer Tag, denn es war sein Geburtstag. Die anderen Kinder in der Schule, die ihn ärgern wollten, sagten ihm immer, dass er doch eigentlich an einem ganz anderen Tag Geburtstag hätte, doch er beachtete sie nicht. Was wussten sie denn schon?
    Er dachte an Geschenke, er dachte an Luftballons, und er dachte an eine Geburtstagstorte.
    Seine Schritte wurden schneller, als er in die Straße einbog, in der sein Elternhaus stand. Der frische Wind des Spätsommers, der schon eine Spur des kühlen Herbstwindes mit sich trug, wehte ihm die Haare ins Gesicht.
    Sein Blick folgte den Blättern, von denen ein paar bereits zu Boden fielen, schweifte über die klassizistischen Fassaden des noblen Londoner Viertels, die Stein und Marmorfassaden im Stile des 18. Jahrhunderts, die gepflegten Gärten und hohen gusseisernen Zäune. In etwa zweihundert Meter Entfernung sah er bereits die hohe Kuppel seines Elternhauses, die sich im frühherbstlichen Nachmittagshimmel wie ein Leuchtturm in blauer See abzeichnete.
    Langsam, ganz langsam, hatte der Wagen die Geschwindigkeit erhöht. Der Motor, kaum zu hören, summte gleichzeitig lauernd und geduldig wie ein Insekt, das in der Luft schwebte, doch innerhalb von einer Sekunde herabstoßen konnte, um sein Opfer zu fangen, tot oder lebendig. Der

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