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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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dem Aktenstudium fertig war, saß der starke Adrian Luger
zittrig und schweißgebadet auf dem wackeligen Bibliotheksstuhl und wartete
darauf, dass sein Herzschlag sich wieder beruhigte. Hatte er Angst? Nein, Angst
hatte er nicht. Doch er musste unmittelbar dafür sorgen, dass Clara keine Angst
mehr hatte. Er verließ die Stadtbibliothek in großer Eile.
    * * *
    Gottfried wusste, dass er sie liebte. Er fühlte es tief drinnen.
Seine Liebe zu Clara Gray hatte vollkommen Besitz von ihm ergriffen. »Liebe
lässt sich nicht erklären«, hatte er irgendwo gelesen, »sie ist Chemie. Sie
passiert einfach.« Genau das traf auf ihn und seine Liebe zu Clara zu.
    Er igelte sich ein, genügsam wie ein Zeck, hatte nur mehr Augen und
Ohren für sie. Doch immer beobachtete er sie unerkannt aus sicherer Entfernung.
    Wenn sie lachte, seine Clara, wenn sie übermütig den Kopf zurückwarf
und ihr das Haar um die Schultern wirbelte … wenn ihr beim Lachen die kleinen
Pünktchen um die Nase flogen … wenn sie sich neugierig vorbeugte, um jemandem
zuzuhören … wenn sie mit einer Freundin oder einem Bekannten wie ein Model vor
ihm herschritt und die Arme pendeln ließ … dann stand er Qualen aus. Wenn sie
im Scherz oder aus einer Laune heraus jemand anderem die Hand auf den Arm legte
oder ihn oder sie zufällig streifte, glaubte er, die Brust müsse ihm
zerspringen. Er versteckte sich dann in einer Ecke oder verdrückte sich hinter
eine Buche, um es nicht mit ansehen zu müssen. Oder verdeckte wie ein Kind
einfach die Augen, weil es zu weh tat, zuzuschauen. Doch ebenso rasch hörte er
mit den Kindereien wieder auf, weil es noch weniger auszuhalten war, nicht hinzusehen.
    Gottfried Dandlberg hatte Augen wie ein Luchs. Und er besaß die
Fähigkeit, wie ein Waran in der Wüste mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Er
war praktisch unsichtbar, wenn man ihn nicht direkt ins Visier nahm, was aber
praktisch nicht vorkam, denn er war von außergewöhnlicher Unauffälligkeit. Er
konnte sich darauf verlassen, dass die Menschen um ihn herum sich nicht eine einzige
Sekunde Zeit nahmen, ihn länger als einen flüchtigen Augenblick zur Kenntnis zu
nehmen.
    Wenn er dann beobachtete, wie sie mit ihm, diesem Luger, Händchen
hielt, wirkte das auf ihn mehr wie etwas, was sie zuließ, als etwas, was sie
suchte. Immer, wenn er sie mit ihm sah, blieb ihm die Luft weg. Er starrte sie
an und hatte ein Gefühl wie beim Tauchen unter Wasser. Als hätte er minutenlang
nicht mehr geatmet. Die Frau schnürte ihm die Luft ab. Besonders in seiner Gegenwart.
    Als er nun aus seinem Versteck beobachtete, wie Luger die
Stadtbibliothek verließ und den Weg zur Tiefgarage einschlug, folgte er ihm
umsichtig, umschlungen von der Menge, die in Richtung U-Bahn strömte. Er griff
in seine Hosentasche und fühlte nach dem Schlagring, den er vor zwei Jahren in
Namibia einem Farbigen abgeluchst hatte. Ursprünglich hatte er einmal ein
Klappmesser für solche Zwecke besessen, das er in München in einem Geschäft für
Abenteuerausrüstungen hatte mitgehen lassen. Der Schlagring hatte sich als
handlicher erwiesen. Er liebte es, sich von dieser Waffe mit den spitzen Zacken
die Knöchel umschlingen zu lassen. Es verlieh ihm ein Gefühl von Macht,
Großartigkeit und Gefährlichkeit.
    * * *
    Dem einflussreichen Adrian Luger hatte es keine große Mühe gekostet,
die persönlichen Daten dieses Nachtigal herauszufinden. Am Abend nach dem
Bibliotheksbesuch lagen Gottfried Dandlbergs Personalangaben offen wie ein Buch
vor ihm.
    »Du darfst die Gefahr nicht unterschätzen, Liebes! Dieser Nachtigal
ist ein ernsthafter Stalker. Einer, der dir zwanghaft nachstellt. Der dich in
ein immer engeres Korsett pressen wird. Wir werden etwas unternehmen.«
    Und so kam es, dass am folgenden Dienstag gegen vier Uhr nachmittags
ein abgerissen aussehender älterer Mann, eine angebrochene Flasche Bier in der Hand,
unruhig vor dem Hendlstand in Brannenburg stand. Er hatte einen unregelmäßigen
Sechstagebart, trug einen abgenutzten Trenchcoat und verbeulte Hosen, die Haare
standen ihm zu Berge. Kurz, er sah aus wie Inspector Columbo kurz vor dem
Rauswurf wegen eines Alkoholproblems.
    »Zwei halbe Hendl«, krächzte er schwer atmend und schwer
verständlich. »Eins für mich und eins für Clara.«
    Gottfried, der gerade die letzten beiden Hendln vom Spieß genommen
hatte und abbauen wollte, fuhr herum. Jeden anderen hätte sein Blick getötet,
doch Luger hielt ihm stand.
    »Welche Claaaraa?«, quetschte

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