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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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überkam sie ein wohliges Gefühl. Dies
war ihr Zuhause, ihre Heimat. In Reischenhart bog sie von der Autobahn ab und
legte hinterm Ortsschild den Leerlauf ein, um auf der leicht abfallenden Straße
Sprit zu sparen. Acht Minuten später stellte sie in dem Sträßchen in der Nähe des
Hauses auf dem Hügel den Motor ab. Sie war da.
    Hätte sie gewusst, was vor ihrer Wohnungstür auf sie lauerte, hätte
sie sich laut schreiend abgewendet und die Flucht ergriffen. Doch ihre
Ahnungslosigkeit verzögerte den Schock nur unwesentlich. Das Geräusch aus ihrem
Mund entwickelte sich von einem schrillen, lang gezogenen Schrei über ein
heiseres, tierisches Krächzen zu einem würgenden Gurgeln ähnlich dem, das
entsteht, kurz bevor ein Mensch sich übergibt. Der abgeschnittene, blutige
Schweinekopf vor ihrer Tür war alles, was blieb. Er ruhte mit der offenen
Halsseite nach unten auf dem Abstreifer und schien Clara mit leicht geöffnetem
Maul hinterherzugrinsen.
    * * *
    »Unglaublich«, murmelte Adrian Luger einen Tag später. Er stand kurz
davor, in Panik zu geraten. Das Wenige, was Clara ihm über diesen Nachtigal
anvertraut hatte, hatte er auf die leichte Schulter genommen. Er hatte die
Sache für die Spinnerei eines Verehrers gehalten, von denen seine berühmte
Partnerin nicht wenige hatte.
    In einer ruhigen Ecke der Stadtbibliothek im Münchener Gasteig hatte
er einen Stapel Bücher und Zeitschriften um sich versammelt. Bevor er etwas
unternahm, wollte er sich intensiv mit dem Phänomen einer gar nicht so seltenen
zwanghaften Verhaltensstörung mancher Zeitgenossen vertraut machen. Als
Nichtmünchener konnte er nur auf dem Umweg über seine Beziehungen Zugang zur
Bibliothek erlangen.
    Nachtigal hatte Clara mehrfach seine Liebe beteuert. Er bete sie an,
könne nicht mehr ohne sie leben. Hatte ihr Blumen in ihre Wohnung nach Brannenburg
geschickt, ihr den Einkauf eingepackt und die Autotür aufgehalten. Hatte sie in
München vor dem Eingang zum Sender mit einem Kniefall begrüßt. Danach hatte er
es irgendwie geschafft, die Kontrolle zu überlisten und ihr in ihrem Büro ein
Geschenkpaket zu überreichen. Clara hatte es der Putzfrau überlassen.
    Das alles roch nicht nach intensiver Belästigung, eher nach einer
harmlos-übertriebenen Schwärmerei. Luger hatte Clara nicht wirklich ernst
genommen, wenn sie ihm von Nachtigal berichtete. Ihre Ängste hatte er nie
verstanden. Doch was er nun während dieser zwei Stunden in der Bücherei zu
wissen bekam, entsetzte ihn und veränderte seine Einstellung von einer Minute
auf die andere. Was er las, war ein Horrortrip, ein spiritueller Ausflug in den
Tod.
    Luger griff sich ein Buch nach dem nächsten, durchblätterte einen
Bericht nach dem anderen. Eine Lebens- und Leidensgeschichte jagte die nächste,
eine Tragödie überholte die vorhergehende. Der Titel des Ganzen: Stalking,
definiert als »beharrliches Nachstellen«.
    Psychoterror wäre der korrekte Begriff für dieses ungezügelt
obsessive Verhalten, befand Luger sehr schnell. Alle Täter hatten vorher von
Liebe gesprochen. Nachher hatten sie die angebetete Person gedemütigt,
vergewaltigt, erstochen, erschlagen, erschossen. Es machte keinen Unterschied,
ob sie alt waren oder jung, Studentinnen oder Pensionäre, arm oder reich, egal
aus welcher Gesellschaftsschicht sie kamen, es spielte keine Rolle. Die meisten
Fälle hatten sich zwar im Ausland abgespielt, doch das Tätermuster des Stalkers
war überall identisch und musste auch auf den harmlos wirkenden Nachtigal
angewendet werden. Angebliche Liebe war der gemeinsame Nenner. Luger hielt die
Bezeichnung Liebeswahn für passender.
    Ihn schauderte unter dieser Flut der Informationen. Er bekam
Kopfschmerzen, wenn er daran dachte, in welcher Falle Clara möglicherweise saß.
Er musste dafür sorgen, dass sie nicht zuschnappte.
    Die Justizbehörden konnten allenfalls mit einstweiligen Verfügungen
reagieren, nicht aber ein mögliches Verbrechen verhindern. Denn solche
Schutzanordnungen sind einem Typ wie Nachtigal egal, vollkommen egal. Es war
beängstigend! Stalker fürchten Sanktionen nicht, das hatte er aus dem Lesestoff
gelernt, sie sind immun dagegen. Blamage, finanzieller Ruin, Prozess,
Gefängnis, ja der Tod – das alles schreckt sie nicht ab.
    »Das Einzige, was Nachtigal fürchtet, ist, Clara aus den Augen zu
verlieren«, murmelte er halblaut.
    Die Nachbarin in der Büchernische sah ihn verwundert an.
    »Das ist für ihn zum einzigen Lebenssinn geworden.«
    Als er mit

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