Spiel des Todes (German Edition)
… wäre zwar ein
Motiv wie im Lehrbuch«, meinte Bruni. »Aber Hummer kann nicht der Mörder sein.
Er war in München in der Sitzung. Er hat ein einwandfreies Alibi.«
»Richtig«, lobte Rico. »Doch das Motiv ist so überwältigend stark,
dass wir trotzdem unsere Überlegungen darauf konzentrieren sollten.«
Er griff zu einer Flasche Mineralwasser und füllte sein Glas, bevor
er fortfuhr.
Unvermittelt stand Chili auf und positionierte sich neben Rico mit
dem Gesicht zu den anderen. Sie hätten ein gutes Paar abgegeben.
»Okay. Hummer hat ein Alibi«, sagte sie langsam. »Und er hat
Schuhgröße vierundvierzig, keinesfalls achtundvierzig. Er kann nicht in Claras
Wohnung gewesen sein. Außerdem bezweifle ich, dass er ein Messer
siebenunddreißig Mal in den Körper einer Frau jagen könnte.« Sie sah zu Rico
auf. »Und was schließen wir daraus?«
Offenbar verstanden sie sich blind. Er verfolgte dieselbe Spur. Er
nickte. »Absolut«, sagte er. »Wir nehmen uns Hummer noch einmal vor.«
Sie kamen überein, dass nicht Rico den Hummer anhören sollte. Er
fühlte sich ihm gegenüber befangen. Chili übernahm den Job.
Rico richtete den Blick auf Huawa. »Und du erhältst einen
Spezialauftrag.«
Eine Stunde später stand Chili vor Hummers Haus in München. Vom
Charme des Anwesens ließ sie sich nicht beeindrucken. Auch der Mann, der sie
aufhalten wollte, war für sie kein Hindernis.
Dieser Mann war Ende zwanzig, groß, mager und drahtig. Er gab sich
alle Mühe, hinter einem langen Pony, einem dunklen Sechstagebart und einer
Sonnenbrille so wenig wie möglich von seinem Gesicht preiszugeben. Eine leichte
Nervosität umgab ihn wie schlechter Körpergeruch.
»Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte sie zu Hummer, als sie endlich
vorgelassen wurde. »Mein Anliegen kennen Sie.«
»Nein.«
»O doch, Herr Hummer. Wir sprechen von Mord. Immer noch von Mord.
Vom Mord an Clara Gray.«
Als sie die Villa wieder verließ, war Chili Toledo zwar hinlänglich
davon überzeugt, dass der Präsident des 1. FC Bavaria München den Mord nicht begangen haben konnte. Andererseits hatte sie
überhaupt keine Zweifel, dass er sehr wohl in den Mord verstrickt, vielleicht
sogar sein Urheber war. Es konnte nur mehr eine Sache von Stunden oder
höchstens Tagen sein, das herauszufinden.
ACHT
Am folgenden Tag stieg die Sonne über dem gezackten Gipfel des
Heubergs auf wie an jedem Tag. In seinem graugrünen Kanalbett zog der Inn träge
nach Norden wie immer. Und es trug der Erler Wind das gleichmäßige Rauschen der
Innsbrucker Autobahn zur Ottakring’schen Terrasse hinauf, wie immer dann, wenn
klare Tage waren.
Lola und Joe Ottakring saßen eingehüllt in Decken bei ihrem
Morgenespresso. Es war ein lieb gewonnenes Ritual, draußen zu sitzen, wenn die
Morgensonne die Hauswand wärmte. Büsche und Bäume glitzerten im Frühtau. Lola
blätterte in der Broschüre zur kommenden Rosenheimer Landesgartenschau. Dann
dachte sie über das Arbeitsprogramm der kommenden Woche im Sender nach.
Ottakring las ein ellenlanges Fax.
»Diese Buche da droben«, sagte Lola nach einer Weile und wies den
Hang hinauf. »Die ist schon zweihundert Jahre alt und kann mehrere hundert
Jahre alt werden, habe ich gehört.«
Sie erwartete eine Antwort, doch ihr Mann schwieg. Aus seinem
Gesicht konnte sie ablesen, dass etwas geschehen war. Sie klopfte mit dem
Löffel auf das ellenlange Papier in seiner Hand. »Steht was Wichtiges drin?«
Das Fax war in der Nacht eingetroffen. Absender: HK Stahl, PP Rosenheim, VERTRAULICH .
Ottakring las es zum dritten Mal.
»Stahl bedankt sich noch mal, dass wir ihn auf die Spur mit dem Boxchampion
gebracht haben. Offenbar sind sie damit weitergekommen. Sieht so aus, als sähen
sie Land.«
Dass er – gefüttert durch den eigentlichen Inhalt des Fax – der
festen Meinung war, sie hätten den Fall bereits gelöst, gab er nicht zu. Seine
Frau sollte sich um ihr Fernsehprogramm kümmern.
»Sag mal«, sagte Lola unvermittelt. »Dich hat doch jemand angerufen
und auf den blauen Kastenwagen aufmerksam gemacht. Weiß man mittlerweile, wer
das war?« Sie bohrte ihre Augen in Ottakrings Augen, als wolle sie sie durchlöchern.
Ottakring faltete die eineinhalb Meter Faxpapier auf DIN-A 4-Größe zusammen.
Lola saß nur da.
»Da drüben«, sagte Ottakring und deutete auf das überübernächste
Haus. »Der Herr da drüben, wir kennen den nicht. Ein pensionierter
Vogelschützler …«
»… Vogelschützler?«
»… Vogelschützler! Einer,
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