Spiel, Kuss & Sieg
in seiner Nähe zu sein.
Sie ließ sich tiefer in den Sitz sinken. Insgeheim war sie dankbar für ihre große Sonnenbrille, die ihre geröteten Augen verbarg.
Ich schaffe das schon, redete sie sich immer wieder zu. Alles, was sie tun musste, war dem Spiel zu folgen und eine Ahnung davon zu bekommen, welchen Anforderungen ein Trikot gewachsen sein musste.
Plötzlich aufbrausender Applaus signalisierte die Ankunft der Mannschaften. Alejandro schien ihr direkt in die Augen zu sehen. Halb verdeckt von dem Polohelm wirkte sein Gesicht so hart und grau wie Granit. In den weißen Reithosen und dem grasgrünen San Silvana Trikot mit der Nummer zwei auf dem Rücken sah er unglaublich sexy aus. Er saß auf dem Pferd mit dem golden schimmernden Fell, auf dem sie ihn auch gestern gesehen hatte.
Das Spiel begann. Die Reiter trieben ihre Pferde aufeinander, die Schläger sausten durch die Luft, der Ball flog wie eine Kanonenkugel über den Platz. In einer Art Schockstarre verharrend, verfolgte Tamsin das Geschehen. Den Blick hielt sie fest auf Alejandro gerichtet, der unaufhörlich von dem La Maya Spieler mit der Nummer vier bedrängt wurde.
Tamsin wurde ganz flau vor Angst. Wie konnten die Schönheiten um sie herum dieses brutale Spiel nur so reglos anschauen?
Gerade als sie glaubte, es nicht länger ertragen zu können, pfiff der Schiedsrichter das Spiel ab. Sofort, als habe man einen Eimer Wasser über kämpfende Hunde geschüttet, trennten sich die beiden Mannschaften und versammelten sich auf den gegenüberliegenden Seiten des Feldes. Unwillkürlich stieß Tamsin einen Seufzer der Erleichterung aus. Gott sei Dank, dachte sie. Gott sei Dank, er lebt. Gott sei Dank, es ist vorbei.
Einen Moment später gelang es ihr nur mit Mühe, einen Schreckensschrei zurückzuhalten. Die Stallburschen führten andere Ponys aufs Feld, und Alejandro wechselte in den Sattel eines gefährlich aussehenden Rappen.
Tamsin wandte sich an eine vornehme Blondine rechts neben sich. „Entschuldigung, ist das die Halbzeitpause?“
Einen Moment glaubte sie, die Frau habe sie nicht gehört. Dann sah sie, wie ein feines Lächeln ihre Mundwinkel umspielte. Sie schob ihre Designersonnenbrille von der Nase und musterte Tamsin neugierig.
„Nein. Das ist das Ende des ersten Chukkas. So nennt man die einzelnen Spielabschnitte beim Polo.“
„Oh. Und wie viele Chukkas gibt es?“
„Sechs.“
Tamsin hätte weinen können, als die Spieler sich wieder auf dem Feld einfanden. Auf dem schwarzen Pferd erinnerte Alejandro sie an einen finsteren Ritter aus dem Mittelalter. Ihr fiel auf, dass, wann immer er ein Tor erzielte, die weiblichen Schönheiten auf der Tribüne für kurze Zeit ihre Zurückhaltung aufgaben und ihm begeistert zujubelten.
Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen. Hinter der dunklen Sonnenbrille wäre das gar nicht aufgefallen. Aber es gelang ihr nur für wenige Sekunden, dann überkam sie das überwältigende Bedürfnis, nach Alejandro zu sehen, um sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging.
Warum kümmert mich das eigentlich, fragte sie sich irgendwann verzweifelt.
Die Antwort war sofort da – besser fühlte sie sich dadurch allerdings nicht.
Weil ich ihn liebe.
Halbzeit, das dritte Chukka lag hinter ihm. Zu seiner eigenen Überraschung spielte Alejandro gar nicht schlecht. Und das, obwohl ihm wegen des Rugbyspiels in England nicht viel Zeit zum Training geblieben war. Und wenngleich er dank Tamsin eine schlaflose Nacht verbracht hatte.
Auch während des Spiels war er sich ihrer Gegenwart auf der Tribüne ständig bewusst – so nah und doch so fern. Als er einmal zu ihr hinüberschaute, sah er, wie sie das Gesicht hinter den Händen verbarg. Vielleicht, weil der Spielverlauf sie so gefangen nahm. Vielleicht langweilte sie sich aber auch nur zu Tode.
Verdammt, er musste unbedingt mit ihr sprechen.
Als er die Seitenlinie erreichte, stieg er schwungvoll von der rassigen Stute ab, warf die Zügel einem Stallburschen zu und zog sich in eine ruhige Ecke zurück. Dort holte er das Handy aus der Tasche und drückte eine Kurzwahltaste.
„Ich brauche einige Telefonnummern“, sagte er brüsk zu Giselle.
Er erledigte die Anrufe, die mehr Zeit in Anspruch nahmen, als er geglaubt hatte. Anschließend gesellte er sich wieder zu seinem Team. Francisco sah ihn mit besorgter Miene an.
„Alles in Ordnung, mein Freund?“
„Ja, alles okay.“
Nach der Pause, als er wieder aufs Spielfeld ritt, fiel ihm auf, dass Tamsin nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher