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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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sind Sie …«
    »Mir war nur etwas flau. Ich habe noch nichts gegessen«, erklärte Sonja und dachte: weil ich mit deinem verfluchten Herrmann bis vor einer Stunde noch im Bett gelegen habe, und nicht nur das, Püppchen.
    Melinda klopfte an die Fensterscheibe, drohte mit dem Zeigefinger und schrie: »Lass das!«
    Sonja konnte von ihrem Stuhl aus nicht sehen, was Bruno lassen sollte.
    »Mein Herrmann ist Ihr Mann im Müll, nicht wahr?«
    »Hat Ihnen das auch mein Chef gesagt?«
    Melinda zuckte mit den Schultern. »Nein. Der Mann im Müll ist tot.«
    »Herrmann nicht, stimmt‘s?«
    »Ich glaube nicht.« Leider, dachte Sonja, aber was nicht war, konnte ja noch werden. Er spielte ein verdammt gefährliches Spiel. Irgendwann würde er auf eine Frau treffen, die nicht zuließ, dass er sie betrog.
    »War Herrmann denn nun hier oder nicht?«, hörte sie Melinda fragen.
    »Ja«, antwortete Sonja und lehnte sich zurück. Es sollte entspannt aussehen. »Er war tatsächlich einmal hier. Ich glaube sogar zwei Mal. Beim letzten Mal hat er diese Lederjacke vergessen.«
    »Dann wird er wiederkommen«, meinte Melinda.
    »Das glaube ich kaum«, antwortete Sonja und sah an sich hinab. »So schön ist sie nicht.«
    »Was wollte er?«
    Sonja zögerte, als müsse sie erst nachdenken. »Beim ersten Mal fragte er, glaube ich, nach dem Weg.«
    »So?«, machte Melinda skeptisch.
    »Beim zweiten Mal …« Sonja unterbrach sich und blickte Richtung Tür.
    Kleine Schritte näherten sich tapsend der Küche. Ein keuchender Atem kam näher. Leises Glucksen. Bruno hielt sich am Türrahmen fest und sah um die Ecke. Mit der linken Hand hielt er sich fest, in der rechten hielt er das kleine Holzkreuz, das Harry auf Davis‘ Grab aufgestellt hatte, so hoch er konnte. »Mama, guck mal!«
    Sonja sprang auf und war mit zwei Schritten bei ihm. Sie riss ihm aus Kreuz aus der Hand. Bruno fiel um, landete auf seinem Po, streckte die Füße von sich und begann ohrenbetäubend zu schreien.
    Vorsichtig stellte Sonja das Kreuz auf der Anrichte ab und lehnte es gegen die Wand. Es kippte zur Seite, sie richtete es wieder auf.
Davis
hatte Harry mit einem Filzschreiber und krakeliger Handschrift darauf geschrieben.
    Melinda nahm Bruno auf den Arm und versuchte, ihn zu beruhigen. Er schrie weiter.
    Wie eine Sirene, dachte Sonja. Nicht abstellbar.
    »Entschuldigung!«, rief Melinda über sein Gebrüll hinweg. »Wer war Davis?«
    »Mein Hund.«
    »Hat Herrmann ihn etwa auf dem Gewissen?«
    »Wie kommen Sie denn darauf?« Sonja fuhr zu ihr herum.
    »Das wäre nicht das erste Mal.«
    Was redete die Frau da? Sonja rieb sich verzweifelt die Stirn. Das Blut pochte hinter den Schläfen. Der Druck im Kopf wurde unerträglich.
    »Er hasst nämlich Tiere«, fuhr Melinda fort und hielt Bruno den Mund zu. »Ganz besonders Hunde.«
    Alles in Sonja wehrte sich zu hören, was sie hörte. Sie sah die Momente vor sich, in denen Harry Davis fütterte, streichelte und schließlich beerdigte. »So ein Quatsch! Er war doch nur zwei Mal hier.«
    Melinda war mit Bruno beschäftigt und fragte nicht mehr, was Herrmann bei seinem zweiten Besuch von der Kriminalkommissarin gewollt habe. Sonja hütete sich, den Faden wieder aufzunehmen. Was war mit Davis geschehen? Bei dem Geschrei konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Es war unerträglich. Jeden Moment würde sein Kind daran ersticken. Sonja erinnerte sich an eine Dose mit Plätzchen. Wo war sie nur?
    Kurz darauf mümmelte Bruno schweigend an einem alten Plätzchen, als Melinda fragte: »Hat er sich auch von Ihnen Geld geliehen?«
    »Warum sollte er? Er hat einen ziemlich guten Job, soweit ich weiß.«
    Melinda warf den Kopf zurück, dass ihre Kreolen flogen, und lachte. »Hat er Ihnen auch erzählt, er sei Immobilienmakler?« Sonja nickte kaum sichtbar. »In Wirklichkeit hat er nicht einmal eine Ausbildung. Der typische Abbrecher. Er ist ein Versager. Auf der ganzen Linie. Herrmann ist immer auf der Suche nach Geld. Er sucht sich ältere, leichtgläubige, einsame Frauen.« Sonja hielt den Atem an. »Er erzählt ihnen eine Leidensgeschichte, pumpt sie an, sie sollen ihm nur etwas vorstrecken, bis irgendein Vertrag angeblich in trockenen Tüchern ist, und dann verschwindet er auf Nimmerwiedersehen. Ich habe keine Ahnung, wie und wo er diese Frauen alle an Land zieht.«
    »Alle?«, wiederholte Sonja ungläubig.
    »Das hat er mindestens vier-oder fünfmal gemacht. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen.«
    »Dunkelziffer?«
    Melinda

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