Spiel mir das Lied vom Wind
aufzuhalten. Er hätte diesen Landstrich längst verlassen müssen. Er war ein heißes Pflaster geworden. Aber wohin? Er hatte noch nichts Neues in Aussicht. Dieses Mal lief es ausgesprochen zäh. Keine wollte anbeißen, obwohl er seinen Charme versprühte wie ein Regenmacher Regen.
Regen hatte es in letzter Zeit genügend gegeben. Nur heute, am 17. Juni, war ein unerwarteter Sommertag über die Eifel hereingebrochen. Trocken, warm, wolkenlos, kein Wind. Dass es Temperaturen über 20 Grad im Sortiment des Wettergottes noch gab! Krux hatte die Leute unterwegs übers Wetter reden hören, nicht froh, dass es nun endlich schön war, sondern griesgrämig, dass es so lange auf sich hatte warten lassen. Krux war das Wetter egal.
Er machte sein Glas leer, wischte sich über den Mund und sah dem Wirt eine Weile beim Hantieren zu. Danach blickte er sich um. Das Bistro war gut besucht, als er es betreten hatte. Inzwischen war es leerer und ruhiger geworden. Obwohl der Spielautomat direkt neben der Eingangstür hing, hatte er niemanden gehen sehen. Er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um Einzelheiten wahrzunehmen.
Lärm kam nur noch aus einer Ecke des Lokals. Dort stand ein großer, ovaler Tisch, alle zwölf Stühle waren besetzt. Keine Frauen an Bord, nur Männer. Zwei feine Pinkel in Anzügen unter all den hemdsärmeligen Bauern. Die Alten saßen, die Jungen standen hinter ihnen in der zweiten Reihe. Es wurde heftig diskutiert. Die Stimmung war geladen.
Sie spielen, durchfuhr es Krux.
Und als gerade in diesem Moment der Song
Money for nothing
dumpf in den Lautsprechern erklang, war das so, als spielten die Dire Straits nur für ihn, und er sagte sich, okay, ich verstehe, nicht ohne mich!
Er stieß sich von der Theke ab, steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte scheinbar beiläufig heran. Er trat hinter einen der Stehenden und blickte über seine Schulter. Aber es standen nur Gläser auf dem Tisch, Aschenbecher und kleine Schüsseln mit Erdnüssen und Chips und dazwischen machten lose weiße Papierbögen die Runde und wurden von einem zum anderen geschoben, auf denen Krux Listen und Zeichnungen erkennen konnte. Die Alten waren dagegen, die Jungen dafür. Es fielen Worte wie Schwefeldioxid, Flugasche, Stickoxid, Pufferzonen, Schlagschatten, Nachlaufeffekt, Umweltprüfung …
He?
Keine Karten und keine Würfel, kein Geld, und Krux verlor auf der Stelle jedes Interesse. Enttäuscht zog er ab, kehrte zurück an die Theke zu seinem leeren Glas, das voller fettiger Fingerspuren war. Er war fertig mit der Welt. Seit einer Woche hatte er kein vernünftiges Bett mehr gesehen. Keine Dusche, keine richtige Mahlzeit, keine Frau, keine Chance.
Nachdem Sonja ihn rausgeworfen hatte, wohnte er in seinem Bus, den er Nacht für Nacht auf Parkplätzen oder einfach irgendwo an einem einsamen Waldrand in der Nähe eines Baches abstellte, wo er sich waschen konnte. Essen und Getränke holte er sich unterwegs aus Frittenbuden oder Pizzerien. Immer nur das Billigste.
Er schlief hinter den Vordersitzen auf einem Matratzenlager, und auf der kleinen, selbstgebauten Bank stand sein Handwerkszeug. Hier ging er ins Netz. Per UMTS hatte er sich das Internet auf sein Laptop geholt. Er benutzte dazu verschiedene Handys, nicht sein eigenes, er fand sie oder ließ sie irgendwo mitgehen. Die nicht unbeträchtliche Höhe der Telefonkosten fürs Surfen musste ihn nicht weiter interessieren. Sonjas Handy, das unbewacht in der Wohnküche gelegen hatte, hatte er dummerweise nicht eingesteckt. Viel zu überstürzt hatte er das Forsthaus verlassen. Auch um die Lederjacke tat es ihm leid. Und erst recht die beiden schwarzen Würfel, seine Glückswürfel. Verbrennt einfach alles, die blöde Kuh! Wie war die denn drauf?
Das Laptop hatte er einer seiner Herzensdamen abgeschwatzt. Sie hatte es ihm zwecks Installation einer neuen Software überlassen. Danach hatten sie sich leider nicht mehr wiedersehen können.
Manchmal parkte er seinen Bus auch gut versteckt in der Nähe eines Hotels oder einer Raststätte entlang der A 1 und hackte so lange, bis er das Passwort geknackt hatte, um sich ins fremde Netz einklinken zu können. Den Akku des Laptops lud er in der gleichen Raststätte auf, die er vorher angezapft hatte. Zur Not funktionierte das auch – zwar weniger komfortabel, aber immerhin – über ein Verbindungskabel zum Zigarettenanzünder, das Krux selbst gebastelt hatte.
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