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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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die Regale und die einzelne Spüle waren eine Katastrophe. Danach hätte er sich daran gemacht, das Dachgeschoss des Forthauses auszubauen.
    Sonja war die erste Frau, bei der er vielleicht sogar hätte bleiben wollen. Sie hatte ihn an der langen Leine laufen lassen. Sie hatte ihn nicht kontrolliert, so wie die anderen. Oder ihm etwa nachspioniert. Sie hatten sich kein einziges Mal ernsthaft gestritten.
    Dankbar waren sie alle gewesen. Dankbar für eine späte Liebe. Einsam waren sie auch. Viele Witwen, meistens Rentnerinnen, hatte Krux glücklich gemacht. Sonja arbeitete noch. Wenn er sich recht erinnerte, war sie Beamtin in irgendeiner faden Kommunalbehörde in Euskirchen. Ein Vermögen wäre bei ihr nicht herausgesprungen, aber regelmäßiges, sicheres Geld. Und vor allem bestand die Möglichkeit, Darlehen und Kredite zu gewissen Zwecken zu bekommen, das hatte er sich jedenfalls ausgemalt.
    Rien ne va plus
.
    Er wusste auch nicht recht, was ihn noch in der Eifel hielt. Vielleicht die tausend Möglichkeiten, in einem Landstrich wie diesem tagelang abzutauchen.
    »Nochen Bier habe ich gefragt.«
    Krux zuckte zusammen. Jemand hatte ihn angestupst. Er schüttelte den Kopf.
    »Komm, ich lad dich ein«, sagte der Wirt.
    Krux blickte auf, nickte und brachte ein gequältes Lächeln zustande. Die 1,20 Euro für das Bier hätte er lieber in bar gehabt. Er war sicher, dass das Glück im Automaten hinter ihm auf ihn wartete. Es rief schon nach ihm. Der Wirt zapfte das Glas halbvoll und stellte es unter den Hahn, damit das Bier vor lauter Schaum zum Zuge kommen konnte.
    Krux drehte sich herum. Die Männerversammlung am Stammtisch war noch immer im vollen Gange. Die Stimmung hatte sich aufgeheizt. Statt zu diskutieren wurde inzwischen gepoltert, geschimpft, gedroht.
    »Worum geht’s da hinten eigentlich?«, fragte er den Wirt.
    »Um Wind«, antwortete der Wirt und ließ seine Hand wie einen Propeller kreisen. »Viel Wind um nichts.« Nun nahm er beide Hände. »Verstehen Sie?«
    Krux winkte ab und murmelte: »Ach, Sie meinen den Wind! Diese Energie, die uns seit dem Urknall umweht, nur weil die Erde sich dreht?«
    Der Wirt riss die Augen verwundert auf. »Ein Poet in meinem Hause!« Er hielt das Glas erneut unter den Hahn. »Und um Politik geht es.«
    »Windige Politik?«, fragte Krux.
    Der Wirt stellte ihm das Glas auf den Bierdeckel. Schaum lief über. »So ähnlich. Ob oder ob nicht.«
    Krux kühlte seine Hände am Glas und legte die Stirn in Falten. »Das klingt nach einem richtig guten Geheimnis.«
    »Wieso?«, fragte der Wirt.
    »Das Kind hat keinen Namen.«
    Der Wirt lächelte. »Ich könnte es Ihnen sagen, aber Sie sind nicht von hier, oder?«
    Krux schüttelte den Kopf.
    »Dann werden Sie es nicht verstehen.«
    Krux zuckte die Achseln. Dann eben nicht. Er hatte bloß höflich sein wollen. Im Grunde war es ihm völlig egal. Er nahm einen langen Schluck, wischte sich den Schaum von den Lippen und musste doch weiterfragen: »Geht’s um Bergbau?«
    Der Wirt schmunzelte. »Im Gegenteil.«
    Während Krux noch überlegte, was das Gegenteil sein könnte, verkündete der Wirt: »Es geht um Himberg und Reetz.« Krux zog fragend die Augenbrauen hoch. »Sehen Sie, ich wusste es doch, das sagt Ihnen nichts.«
    »Vergessen Sie es. Schon gut. Ich muss los. Danke fürs Bier.«
    Aber der Wirt wollte ihn noch nicht gehen lassen und winkte ihn mit dem Zeigefinger zu sich heran. Er senkte die Stimme. »Da hinten sitzen Politiker und normale Menschen, wissen Sie. Und die Politiker meinen, sie wüssten, was für die normalen Menschen gut ist, verstehen Sie?«
    Krux wollte auf seine Matratze. Er wollte sich hinlegen und daran denken, dass jeder neue Tag eine neue Chance ist. Eine Chance zu gewinnen. Er war rein theoretisch an der Reihe. Es ging immer der Reihe nach. Auf eine gewisse Anzahl Rückschläge folgte mit todsicherer Gewissheit ein Erfolg. So waren die Gesetze. Er kannte sie. Einen treuen Spieler wie ihn ließ das Glück nicht lange warten. Es konnte schließlich nicht weiter bergab gehen. Er war schon ganz unten.
    »Ratensemal, was Himberg und Reetz gemeinsam haben!« Der Wirt ließ nicht locker.
    Krux blickte ratlos drein. »Ich weiß ja nicht mal, was Himberg und Reetz ist. Eine Eifeler Delikatesse?«
    Der Wirt winkte ab.
    »Ein Gesangsduo?«
    Der Wirt verdrehte die Augen.
    »Ein Autohaus oder ein Supermarkt?« »Himberg«, erklärte der Wirt und sprach zu Krux wie zu einem kleinen Kind. »Himberg ist ein Berg, Reetz dagegen ein

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