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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie war überfordert. Sie kämpfte auf verlorenem Posten. Herrmann Krux und Peter Reiners, das war eindeutig ein Mann zu viel. Hier war seine oberstaatsanwaltliche Intervention gefordert. Er räusperte sich. »Ich werde dafür sorgen, dass der Fall Peter Reiners nach Bonn kommt.«
    Sonjas Hände fielen auf den Tisch. »Nein, bitte nicht. Lass ihn mir. Ich mach das, keine Sorge. Ich schaffe das.«
    Wesseling war irritiert. Es klang, als sei Peter Reiners alles, was ihr geblieben war.
    »Dann verlege ich eben Herrmann Krux nach Bonn.«
    »Nein, das geht erst recht nicht, weil er … weil ich …!« Er hatte sie noch nicht so verzweifelt gesehen. Er trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen. »Immer mit der Ruhe, ich lasse mit mir reden. Unter zwei Bedingungen«, sagte er.
    »Zwei?«, Sonja sah misstrauisch zu ihm auf.
    »Eigentlich muss ich drei Dinge sicher wissen.«
    »Erstens?«
    »Was fandest du bloß an diesem Krux? Und sag mir nicht, es war die geistige Übereinstimmung.«
    Sonja musste wider Willen grinsen. »Und zweitens?«
    Wesseling sprach langsam. »Ich muss sicher sein, dass du nicht seine Mörderin bist.« Die Frage war berechtigt, das musste ihr einleuchten. Und alles hing davon ab, wie sie sie beantwortete.
    »Ich, Krux’ Mörderin?«
    »Ja.« Er versuchte ihr Mut zu einem Geständnis zu machen. »Ich könnte es verstehen. Er hat dich …«
    Sonja setzte sich aufrecht hin, schüttelte seine Hand von ihrer Schulter und blickte hinaus. »Ich bin es nicht«, erklärte sie, klar, bestimmt und eindringlich, dass kein Zweifel an der Wahrheit blieb.
    »Gut«, sagte er. Im Grund hatte er nichts anderes angenommen. Aber die Frage musste gestellt werden, der guten Ordnung halber. Nicht auszudenken, wenn sie sie bejaht hätte. »Und drittens«, fuhr er erleichtert fort, »arbeiten wir ab sofort eng zusammen.«
    »Hast du nichts Besseres zu tun?«, entfuhr es ihr.
    Er musste lächeln. Da ist sie wieder, die Sonja von früher. »Wie im letzten Fall wirst du ab sofort wieder mit Neugebauer und Brummer vom KK 11 Bonn zusammenarbeiten, klar? Und zwar offiziell im Gebäude des KK Euskirchen. Das heimliche Kuddelmuddel in deinem Forsthaus hört mir ab sofort auf, klar?«
    Sie nickte ergeben.
    Wie er das mit Krux in der Plastikgarage regeln sollte, wusste Wesseling noch nicht. Am liebsten hätte er ihn selbst mitgenommen, wenn er nur weniger gestunken und er selbst mit seinen Pollen nicht schon genug um die Ohren hätte. Aber im Augenblick ging es vorerst darum, Entschlossenheit zu demonstrieren. Er zog seine rote Kladde aus der Brusttasche seines Jacketts und ließ sie schwungvoll auf den Tisch fallen. Verwundert blickte Sonja darauf.
    Er zückte einen Bleistift und einen Radiergummi und blätterte eine leere Seite auf. »Setz dich«, befahl er und tippte auf den Stuhl neben sich. Sonja gehorchte. Als er ihr in die Augen blickte, glaubte er, Erleichterung darin zu sehen. Zufrieden zog er eine wacklige, aber senkrechte Mittellinie. In die linke Überschrift trug er
Herrmann Krux
ein, in die rechte Peter Reiners. Danach malte er in jeder Spalte in die erste Zeile oben links eine große Eins mit einem Punkt dahinter und verkündete: »Wir gehen jetzt systematisch vor.«
    Er glaubte ein »Gott sei Dank« aus Sonjas Richtung zu hören. Schnell griff er zu den Papiertaschentüchern und genehmigte sich ein gründliches Ausschnupfen. »Also«, sagte er endlich mit dumpfer Stimme ins Taschentuch. »Wir haben zwei Leichen und eine dicke Befangenheit …«

12. Kapitel
    Als wenig später auf Wesselings Kommando hin der Leichenwagen mit Krux von ihrem Grundstück rollte und gleichzeitig der Polo samt Garage von einem Abschleppdienst entsorgt wurde, weinte Sonja niemandem eine Träne nach. Krux sowieso nicht. Die Plastikgarage war sein Werk und damit untragbar. Und der Polo würde nie wieder frei von unseligem Leichengeruch sein und sie für den Rest ihrer Tage an das Desaster erinnern. Manchmal musste ein Abschied regelrecht erzwungen werden.
    Als das Gespann aus ihrem Blickfeld verschwand, sagte Sonja »Schnitt«, drehte sich auf dem Absatz um und betrachtete die leere Stelle neben dem Forsthaus. Da war ganz viel Platz. Platz für Neues.
    Wesseling versprach ihr, die »Sache« auf seine Weise zu regeln und ihr zuliebe Roggenmeier und die Rechtsmedizin mit Details zu verschonen, kurz, ihren Fehltritt unter den Teppich zu kehren. Über das Wie wollte er sich

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