Spiel mir das Lied vom Wind

ich meine, die die Nase von den großen Stromanbietern voll haben und ihr eigenes Süppchen kochen wollen.«
    »Warum lassen sie sich dann nicht Solarzellen aufs Dach montieren?«, fragte Wesseling.
    »Das ist doch viel zu teuer. Ein Kleinwindrad kostet im Gegensatz dazu nicht viel, wenn man es nicht gerade bei Herrn Dr. Dipl.-Ing. Hans Kistermann bestellt.« Brummer sah lauernd in die Runde. »Was meint ihr? Die Käufer sind garantiert solche komischen ...«
    Prompt warf man ihm die Bälle zu.
    »Tüftler«, schlug Wesseling vor.
    »Ultra-grüne Fundis«, grinste Neugebauer.
    »Idealisten«, steuerte Sonja bei.
    Wesseling war wieder dran. »Sparfüchse.«
    Brummer nickte. »Alles möglich. Und sicher wohnen sie abgelegen, denn Kleinwindräder sind besonders für Einzelhöfe, so genannte Insel-oder Einödlagen geeignet. Jagdhäuser, Weiler, Aussiedlerhöfe oder Forsthäuser.«
    Forsthäuser. Sonja horchte kurz auf, aber sie verfolgte den Gedanken nicht weiter. Sie räusperte sich. »Zurück zu den unbekannten Kunden. Wenn wir von einem Ort zum anderen fahren, müsste es doch ein Leichtes für uns sein, die Windräder zu finden. Sechs Meter hohe Windräder vor dem Haus sind nicht zu übersehen.«
    Mit den Worten »Deine Kopie« reichte Neugebauer ihr einen Computerausdruck.
    BESTELLUNG
    Hiermit bestellte ich 1 LAKOTA Kleinwindrad der Fa. SOLAR WIND TEAM GmbH, 2,10 m Durchmesser, 950 Watt bei 13m/s, sturmsicher, 17 kg, 1,3 kW Leistung. Windradmast 6 m, ENS, Generator, Wechselrichter, Kabelsatz, Handwindmesser, Spezial-Stoppschalter, Funk-, Wind-und Wetterzentrale
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    Gesamtpreis: 10.000 Euro
    5.000 Euro zahlbar bei Bestellung/5.000 Euro zahlbar bei Lieferung
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    Sonja ließ das Blatt sinken.
    Zunächst war sie entsetzt über Krux‘ Dreistigkeit. Wie konnte er es wagen, sein Unwesen direkt vor ihrer Haustür zu treiben? Wolfgarten hätte genauso auf seiner Liste stehen können. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte versucht, auch ihr ein Windrad anzudrehen. Sie presste die Lippen aufeinander. Zu schade, dass sie nicht mehr hatte sehen können, wie er an den Flügeln des Windrades hing. Wie erbärmlich musste er ausgesehen haben, Krux, der Heilsbringer.
    Dann fuhr sie mit dem Zeigefinger über die rechte Spalte. »Kann es sein, dass es gar keine Windräder gibt? Nach der Liste sieht es so aus, als hätten die Kunden noch Schulden bei Krux.«
    »So ist es nicht«, sagte Wesseling bestimmt.
    »Haben sie ihre Windräder etwa nicht bekommen? Hat Krux vierundzwanzig Windräder einfach verschwinden lassen? Hat er sie weiterverkauft?«
    »Nicht einmal das«, erklärte Wesseling. »Die Firma SOLAR WIND TEAM GmbH hat die Bestellung nie bekommen. Ich habe mit dem Geschäftsführer, Günther Hacker, telefoniert. Dr. Dipl.-Ing. Hans Kistermann hat am 24. Juni zwar ein Muster-Windrad bestellt und bezahlt, aber danach nichts mehr. Einige Kunden haben – als ihre Windräder nicht termingerecht geliefert wurden – bei SOLAR TEAM angerufen und sich nach der Bestellung und Lieferung erkundigt. SOLAR Team nannte insgesamt acht Nachfragen in der Zeit vom 12. bis zum 14. August. Die Firma bedauert, den Auftrag nicht bekommen zu haben.«
    »Das kann ich mir denken«, sagte Sonja. »Also geht es nicht um 240.000 Euro, sondern nur um 120.000 Euro, minus 5.000 für ein Musterrad. Das hilft uns aber auch nicht weiter.« Enttäuscht blickte sie aus dem Fenster. »Es gibt also gar keine Windräder, die uns zu den Kunden führen könnten.«
    »Nein, aber vielleicht«, meinte Neugebauer, »könnten wir die Bauern aus der Reserve locken, wenn wir diese Liste hier an die Presse …«
    »Nein!«, brüllte Wesseling und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich habe gesagt, keine Presse. Und wenn ich einmal etwas gesagt habe …«
    »… dann bleibt es auch dabei«, murmelten Neugebauer, Brummer und Sonja im Chor und mit gesenkten Köpfen.
    Wesseling blickte drohend in die Runde.
    »Ich hol mir mal ‘nen Kaffee«, sagte Brummer, um der Situation zu entfliehen.
    »Ich muss mal«, sagte Neugebauer und verschwand ebenfalls.
    Sonja griff wieder nach der Liste und studierte sie ein weiteres Mal. Sie war über zwei Wörter gestolpert. »Was ist ein ENS?«, wollte sie wissen.
    »Eine Elektronische Netz-Sicherung. In Deutschland schreiben die Energieversorger den Einbau vor. Bei Unstimmigkeiten dreht die ENS den Strom ab«, leierte Wesseling herunter.
    »Und was ist mit Ort vier?«, fragte Sonja.
    »Was soll damit sein?«, fragte Wesseling