Spiel mir das Lied vom Wind
gab sie zurück.
»Es spricht jedenfalls alles dafür, dass er ein rhetorisches Ass war«, fuhr Brummer fort. »Auch sonst war er nicht gerade dumm. Seine Berechnungen über Bauweise, Windstärke und Netzeinspeisung sind beeindruckend. Auch die Aufzählung der Vorteile gegenüber großen Windrädern. Wahrscheinlich hätte ich ihm auch eines abgekauft.«
Krux, dachte Sonja, der kriegt alle rum.
»Dr. Dipl.-Ing. Hans Kistermann«, sagte Brummer süffisant, »verlangte von seinen Kunden für das Lakota 5000 Euro bei Bestellung und 5000 Euro bei Lieferung.«
»10.000 Euro? Das geht doch noch«, meinte Sonja.
Brummer schüttelte den Kopf. »Das
Lakota
Windrad wird von der Firma
SOLAR WIND TEAM GmbH
hergestellt und kostet dort inklusive allem Drum und Dran gerade mal halb so viel, und da sind Mehrwertsteuer und Fracht schon einkalkuliert.«
»Oho!«, rief sie. »Dann war ja Kruxens Windrad ein echtes Sonderangebot. Ein Schnäppchen sozusagen. Und das hat er seinen Kunden bestimmt auch so weisgemacht. Jetzt oder nie! Wenn man bedenkt, in welch kurzer Zeit er das Geschäft durchgepeitscht hat! Unglaublich. Er hat den Leuten keine Zeit zum Nachdenken gelassen.«
Brummer nickte. »Dr. Dipl.-Ing. Hans Kistermann hatte eine Gewinnspanne von nahezu hundert Prozent. Schwarz und BAT.«
»BAT?«, fragte Neugebauer dazwischen.
»Bar auf die Tatze«, erklärte Brummer, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Wesseling räusperte sich. »Von immerhin vierundzwanzig Familien.«
»Vierundzwanzig?«, fragte Sonja entsetzt.
Wesseling deutete mit dem Zeigefinger auf das Laptop. »Da drin hat er eine Rechnung mit insgesamt vierundzwanzig Käufern aufgemacht.«
»Kann ich sie sehen?«
»Später.«
»Kennen wir die Namen der Familien?«
Wesseling, Neugebauer und Brummer schüttelten bedauernd die Köpfe, wobei Sonja auffiel, dass die Farben ihrer fliegenden Haare klassisch verteilt waren: blond, braun, grau.
»Die Käufer haben auf der Liste lediglich Buchstaben«, erklärte Brummer. »Die Anonymisierung ist ein Trick, damit die Kunden untereinander keinen Kontakt aufnehmen können.«
»Die eigentliche Frage ist aber doch«, begann Wesseling, legte den Kopf schief wie ein Wellensittich und beäugte Sonja prüfend. »Wo ist das Geld geblieben?«
»Woher soll ich das wissen?«, fragte Sonja patzig zurück.
»Als die Leiche in die Rechtsmedizin eingeliefert wurde, waren ihre Taschen leer.«
Ich habe es nicht, hätte Sonja sich beinah vorschnell verteidigt. Sie schluckte die Worte im letzten Moment herunter und sagte stattdessen: »Der Mörder wird sie haben, wer sonst? Krux hat hohe Schulden. Bei diesen Ölprinten, bei seiner Frau und bei Gott weiß wem sonst noch.«
Wesseling erklärte Brummer und Neugebauer kurz, um wen es sich bei den »Ölprinten« handelte. Sie rümpften die Nasen.
»Und bei seinen Kunden!«, ergänzte Neugebauer.
»Wieso?«, fragte Sonja.
»Später«, winkte Brummer ab. »Hauptsache ist doch, dass wir in etwa wissen, wo die Kunden wohnen. Die Orte liegen alle fein säuberlich im Stadtgebiet Schleiden und der Gemeinde Kall. Herr Dr. Dipl.-Ing. Hans Kistermann hat keine weiten Wege gemacht. Er war ein fauler Hund.« Es schien Brummer jedes Mal ein besonderer Genuss zu sein, Kistermann mit seinem vollständigen Titel zu nennen, denn er ließ sich jede Silbe auf der Zunge zergehen.
Neugebauer langte nach einer Unterlage auf seinem Schreibtisch. »Kann ich eigentlich nicht nachvollziehen. Denn gerade hier in der Gegend gibt es doch reichlich richtige, große, echte Windparks. Allein im Schleidener Stadtgebiet haben wir … Moment!« Neugebauer suchte mit dem Finger nach einer Zeile. »Hier: Schöneseiffen, Herhahn und den neu errichteten Honderberg. Und in der Gemeinde Kall befinden sich Windräder auf der Wallenthaler Höhe, dem Ravelsberg und dem Pflugberg, in Hellenthal auf dem Hahnenberg, dem Schnorrenberg und in Blankenheim zwischen Reetz und Rohr befindet sich sogar die Erweiterung des Windparks in Planung und …«
»Doch so viele?«, unterbrach Sonja ihn. »Vor Kurzem bin ich eine ziemlich lange Strecke gefahren, da stand kein einziges.«
»Das ist genau das Problem«, meine Brummer. »In manchen Regionen geht es nicht, darf es nicht, kann es nicht. Baugenehmigungen stehen im Weg, politisches Tauziehen und letztendlich vielleicht nur ein schwacher Wind. Große Windkraftanlagen können an vielem scheitern. Außerdem sind Krux‘ Kunden sicher auch von der Sorte, die unbedingt ausscheren wollen,
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