Spiel mir das Lied vom Wind
und stellte ihn auf seinem Schreibtisch ab. »Fahrzeugpapiere und ein nachgemachter Schlüssel zum Bus sind bereits in unserer Asservatenkammer. Ich hole sie Ihnen.« Er stürmte hinaus.
Sonja erhob sich, öffnete den Pappkarton und blickte hinein. Sie betrachtete das Laptop mit Zubehör wie einen Schatz, den sie erst öffnen durfte, wenn es dunkel und sie allein war. Sie berührte den Deckel, die Maus, die Tastatur, strich über den Pappkarton und konnte ihre neugierigen Finger kaum zurückhalten.
Kohl begleitete sie kurz darauf zum Parkhaus, wo der Bus im zweiten Stockwerk abgestellt war, hob den Pappkarton auf den Beifahrersitz, überreichte Sonja Schlüssel und Papiere und meinte: »Kein schönes Auto. Dieser Krux hat es sicher immer weit weg irgendwo abgestellt. Für einen seriösen Geschäftsmann, wie er einer sein wollte, nicht gerade eine Reklame.«
»Sie sagen es. Es ist peinlich. Ich bringe es auch nur nach Euskirchen und dann rühre ich es nicht mehr an.«
»Wissen Sie den Weg?«, fragte er, als Sonja auf den Fahrersitz kletterte.
»Natürlich.« Sie verstellte Sitz und Rückspiegel, legte die Hände auf das weiße Bakelit-Lenkrad und wäre froh gewesen, irgendwo anders zu sein.
Kohl wünschte allzeit gute Fahrt und knallte die Tür zu. Es klang ein wenig zynisch. Er schien froh zu sein, den Fall Herrmann Krux mitsamt Zubehör losgeworden zu sein.
Noch auf der Königswinterer Straße fuhr Sonja in eine Haltebucht, schaltete den Motor aus und kurbelte die Seitenscheibe herunter. Ohne das Matratzenlager hinter ihr auch nur eines Blickes zu würdigen, hob sie das Laptop aus dem Karton auf ihren Schoß.
Sie fuhr es hoch und starrte auf die Anzeige auf dem Bildschirm:
Geben Sie ihr Passwort ein
. Krux' Passwort hatte Kohl garantiert geknackt und stattdessen – vermutlich auf oberstaatsanwaltlichen Befehl – ein neues eingegeben. Eines, auf das sie im Leben nicht kommen konnte. Auch auf das alte wäre sie nicht gekommen. Sie klappte das Laptop zu, und ihr Fluch war bis ans Rheinufer zu hören und ließ ein paar Sonnenhungrige am idyllischen Kiesstrand aufhorchen.
Als Sonja mit dem Bus auf den Parkplatz der Polizeibehörde Euskirchen rollte, war sie wie gerädert. Ein alter, vergammelter Bus war kaum eine Verbesserung gegenüber dem ÖPNV. Der einzige Vorteil bestand vielleicht darin, dass sie immer einen Sitzplatz hatte und auf keinen Anschluss warten musste. Auch wenn der Sitz kaum noch als solcher zu bezeichnen war. Es war eine Tortur gewesen, und sie kam zu dem Schluss: lieber gar kein Auto als so einen Bus. Wobei sie die emotionale Seite des Unternehmens noch gar nicht einkalkuliert hatte.
Um ein paar Minuten zu verschnaufen und sich mental auf Wesselings Standpauke vorzubereiten, marschierte sie direkt in ihr eigenes Büro hinein. Keine Chance. Brummer und Neugebauer saßen erwartungsvoll auf ihren Plätzen und hießen sie mit einer gewissen Zurückhaltung willkommen. Sonja stellte den Pappkarton ab, ließ sich auf ihren Stuhl fallen und lehnte sich zurück. Sie musterte die Kollegen, die verlegen an ihr vorbei die Tür anstarrten.
Sonja folgte ihren Blicken. »Ist was?«
»Warst du schon beim Chef?«
»Später«, antwortete sie und streckte die Beine lang unter ihrem Schreibtisch aus. »Ich habe eine lange Reise hinter mir.«
Sie fragten nicht nach dem Woher und Warum. Sie wussten es. Gut, dachte Sonja, das sparte Erklärungen. Um wenigstens vom Thema Krux ein wenig Abstand zu gewinnen, fragte sie die Kollegen, was die Überprüfung der Fingerabdrücke von Ruben, Sebastian und Jessica ergeben hatte.
»Mit einigen aus Peter Reiners Auto stimmen sie überein, aber es gibt mindestens noch ein oder zwei andere, die nicht zuzuordnen waren«, sagte Brummer und wollte sich am Pappkarton zu schaffen machen.
»Finger weg!«, befahl Sonja.
Er hob abwehrend die Hände.
Neugebauer schob zwei Papierseiten zu ihr herüber. »Lies das mal.«
Sonja setzte ihre Lesebrille auf. Es war Roland Kohls Bericht über das Innenleben des beschlagnahmten Laptops. Und sie dachte: endlich! Ihre Erleichterung übertraf das Gefühl, dass es nicht in Ordnung war, dass Neugebauer, Brummer, Wesseling und Gott weiß wer lange wussten, was sie nicht wusste.
Dabei sollte es anscheinend auch bleiben. Denn kaum hatte sie Fragmente der Typenbezeichnung des Laptops
Fujitsu Amilo
gelesen, wurde die Tür hinter ihr aufgestoßen, Brummer und Neugebauer standen stramm und Wesselings oberstaatsanwaltlicher Bariton ertönte.
»Da
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