Spiel mit dem Tod (German Edition)
sie eine Erklärung, wie es zu dieser Kurzschlusshandlung kommen konnte. Ferrari verliess den Ort des Geschehens, in der Hand einen Zettel mit der Adresse von Hans und Christina Rost. Hans und Christina … Christina. Seine Miene verfinsterte sich und sein schlechtes Gewissen wog schwer. Sehr schwer.
4. Kapitel
Je länger die Fahrt nach Allschwil dauerte, desto mulmiger wurde es dem Kommissär. Er hatte sich vom selbstsicheren, fröhlichen Auftreten Rosts blenden lassen und seine Frau als hysterische Ziege abgetan. Auf dem ganzen Weg redete er sich ein, dass es keinerlei Anzeichen gegeben hatte, die auf eine solche Tat hätten schliessen lassen. Oder? Vielleicht habe ich das Ganze zu sehr auf die leichte Schulter genommen, dachte Ferrari. Ich war von Anfang an voreingenommen. Na ja, ablehnend, wäre wohl das richtige Wort. So konnte ich die feinen Schwingungen, die leisen Zwischentöne gar nicht wahrnehmen. Und das hätte ich verdammt noch mal sollen! Denn ein Selbstmord reift. Vor allem ein Suizid dieser Art, der von langer Hand vorbereitet worden war. Rost hat mir etwas vorgegaukelt, mich eingelullt, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wahrscheinlich sogar nach unserem Gespräch vorgezogen, weil er befürchtete, dass man ihn davon abhalten könnte. Francesco, du hast versagt! Ganz jämmerlich. Und die Quittung dafür liegt tot vor dem Zollgebäude.
Als ihm Christina Rost die Tür öffnete, schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
«Er ist tot!», schrie sie verzweifelt.
«Ich … ich weiss nicht, was ich sagen soll. Es tut mir wahnsinnig leid, Frau Rost.»
«Niemand hat mir geglaubt. Dabei war es so offensichtlich. Ein Abschied auf Raten.»
«Darf ich reinkommen?»
Christina Rost führte ihn ins Wohnzimmer. Sie setzte sich leise schluchzend auf einen Polstersessel und überliess Ferrari sich selbst. Ein biederes Wohnzimmer ohne übertriebenen Schnickschnack, dachte er. Wie man sich die Wohnung eines Beamten vorstellt. Vollkommen sauber, beinahe schon steril. Trotz allem irgendwie liebevoll und wohnlich eingerichtet. Wahrscheinlich hatten sich die zwei in ihrem Haus sehr wohlgefühlt. Der Kommissär wollte die unheimliche Stille durchbrechen, wusste aber nicht, was er sagen sollte.
«Es ist nicht zu verhindern gewesen», sagte Christina Rost plötzlich mit gefasster Stimme. «Ich musste mit ansehen, wie er seinen Selbstmord systematisch vorbereitet hat. Schritt für Schritt. Und nichts und niemand konnten ihn davon abhalten. Ich nicht und Sie auch nicht.»
«Ich verstehe es einfach nicht. Er machte einen zufriedenen, ja beinahe glücklichen Eindruck. Wie konnte ich mich so in Ihrem Mann täuschen?»
«Er konnte seine Gefühle gut verstecken. Darin war er Weltmeister. Leider. Er hatte alles im Griff, auch sich selbst.»
Sie stand auf und öffnete eine Kommode.
«Sehen Sie, hier drinnen ist alles fein säuberlich angeschrieben. Versicherungen, Einzahlungen, Pensionskasse, nichts ist dem Zufall überlassen. Inzwischen habe ich den Überblick, auch über unsere finanzielle Situation. Es wird auch ohne ihn gehen. Er hat sein Werk vollendet.» Unter Tränen fuhr sie fort: «Wie … wie hat er sich umgebracht?»
«Er ist …» Ferrari nahm seinen ganzen Mut zusammen. «Er ist vom Zollgebäude gesprungen.»
«Mein Gott! Mein Gott! Von ganz oben runtergesprungen?»
Ferrari nickte.
«War er sofort tot?», fragte sie leise.
«Ganz bestimmt. Er musste nicht leiden. Er hat sich das Genick gebrochen. So einen Aufprall überlebt kein Mensch.»
Erst jetzt wurde ihm bewusst, was er gesagt hatte. Er biss sich auf die Lippe. Idiot! Aber anscheinend hatte sie seine letzten Worte gar nicht gehört.
«Es ist schon eigenartig. Nach dem Gespräch mit Ihnen schöpfte ich wieder etwas Mut. Und auch Hans schien sich nochmals aufzuraffen. Er erzählte mir, wie ihm der Tod von Max Hauerter unter die Haut gegangen war.»
«Sein Stellvertreter?»
«Und ein langjähriger Freund. Hans war so etwas wie ein Ersatzvater für ihn. Er war ja ein Waisenkind. Wir fuhren jedes Jahr gemeinsam in den Urlaub. Jetzt sind Erika und ich allein.»
Christina Rost kramte in der grossen antiken Holzkommode und nahm ein Fotoalbum heraus.
«Ein Erbstück meiner Eltern. Ich meine die Kommode», fügte sie hinzu, als sie den fragenden Blick von Ferrari bemerkte.
Es waren Schnappschüsse aus dem letzten gemeinsamen Urlaub mit ihren Freunden Max und Erika Hauerter. Sie zeigten die vier lachend vor der Akropolis, in der Altstadt
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