Spiel mit dem Tod (German Edition)
sich nicht vermeiden lässt.»
Ferrari besprach in der nächsten Stunde, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellte. Nadine Kupfer begriff schnell und übernahm all jene Fälle, für die noch Berichte anzufertigen waren. Im Halbstundentakt kam sie in sein Büro, brachte Protokolle zur Unterschrift, informierte sich über Details einzelner Fälle, um weitere Abschlussprotokolle anfertigen zu können. Paradiesische Zustände! Ferrari jubelte. Kurz vor Feierabend kam Nadine mit zwei Tassen Kaffee in sein Büro.
«Zufrieden mit mir?»
«Sehr. Aber du bist nicht mein Dienstmädchen, Nadine. Den Kaffee kann ich mir schon selber holen.»
«Keine Sorge. Ich bringe den Kaffee aus freien Stücken. Nicht auf Befehl. Nur dann, wenn ich will.»
«Danke. Ich kann einen gebrauchen.»
Nadine setzte sich an den Clubtisch und sah Ferrari schweigend zu, wie er mit dem Löffel spielte.
«Es … wieso …»
«Man sieht nicht in einen Menschen hinein, Francesco.»
«Was … wie meinst du das?»
«Hans Rost hat sich wahrscheinlich perfekt verstellt. Du konntest nicht voraussehen, was geschehen würde.»
«Ich habe seine Frau nicht ernst genommen. Ihre Sorgen und Befürchtungen als Hysterie abgetan.»
Ferrari erzählte Nadine die ganze Geschichte, von den beiden Gesprächen, von seiner Intuition und von seinem schlechten Gewissen.
«Und jetzt?», fragte Nadine.
«Ich weiss nicht. Ich fühle mich für den Tod von Hans Rost verantwortlich.»
«Unsinn! Niemand ist dafür verantwortlich, wenn ein Wahnsinniger vom Dach springt. Nur er selbst.»
«Ist das so?»
«Natürlich ist das so. So denken hier im Haus alle. Marianne, Borer einfach alle.»
«Ich … ich fühle mich schuldig. Aber es ist lieb, dass du mich trösten willst. Gehen wir nach Hause, Nadine. Für heute ist genug passiert.»
Wie ein alter Mann schlurfte Ferrari durch den Korridor, von Nadine Kupfers besorgtem Blick verfolgt.
6. Kapitel
Der Kommissär ging durch die Unterführung am Schnellimbisskiosk an der Heuwaage vorbei und bog in die Steinenvorstadt. Die Restaurants- und Barbetreiber nutzten das schöne Wetter. Überall sassen die Menschen draussen und genossen den lauen Frühsommerabend. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Fröhlichkeit, Unbeschwertheit, wohin er auch blickte. Unter normalen Umständen hätte er den Trubel in der Kinostrasse genossen. Aber heute war ihm nicht danach. Beim Kino Capitol blieb er einen Augenblick stehen und blickte ins Schaufenster. Die Bilder der Filmvorschau flogen an ihm vorbei, ohne dass er sie wirklich wahrnahm. Irgendein Horrorfilm. Als ob er heute nicht schon genug Horror erlebt hatte. Horror im wahrsten Sinn des Wortes. Vor dem «Cindy» kreischten einige Mädchen. Kino oder Fastfood? Oder beides? Der Kommissär kämmte vor der Ex Libris die Auslagen mit den Ramschbüchern durch und wurde dabei von einem hungrigen Schnäppchenjäger zur Seite gestossen, der mit stierem Blick Stapel für Stapel durchforstete. Ein gehetzter Bücherwurm, in ständiger Angst, dass ihm jemand bei der Kiloware zuvorkommen könnte. Ferrari schmunzelte für einen Bruchteil einer Sekunde, dann holten ihn seine Gedanken wieder ein. Die lebensfrohen Menschen in seiner geliebten Stadt hatten nichts mit ihm zu tun. Nein. Denn im Leichenschauhaus lag ein Toter, den er auf dem Gewissen hatte.
Etwas war nicht in Ordnung. Monika sah es sofort.
«Willst du mit mir darüber sprechen, Francesco?»
«Hans Rost ist tot!»
«Ist das der Mann, der von einem Dach gesprungen ist?»
«Ja.»
«Ich habe es in den Nachrichten gehört. Anscheinend wurde der Selbstmord gefilmt.»
«Wurden die Bilder gezeigt?» Ferrari geriet in höchste Erregung.
«Nein, nur einige Male in TV1 darauf hingewiesen, dass demnächst die Beweggründe vollständig aufgezeigt würden.»
«Es geht nicht auf. Das Ganze geht nicht auf.»
Er erzählte seiner Freundin von der Vorgeschichte, den beiden Gesprächen, und was heute Morgen geschehen war.
«Glaubst du, dass er umgebracht wurde?»
«Nein, das ergibt keinen Sinn. Aber auch bei Selbstmord ist etwas seltsam. Er ruft bei TV1 an, kündigt seinen Selbstmord an. Er bereitet alles systematisch vor. Und gleichzeitig bucht er Urlaub auf Kreta. Das ist doch schizophren.»
«Handeln Selbstmörder nach logischen Strickmustern?»
«Normalerweise nicht. Aber bei Rost ist es anders. Irgendwie …», Ferrari verstummte.
«Was stört dich?»
«Die Bemerkungen von Frau Rost machen mich stutzig. Ich habe schon einmal über sie gelacht. Und
Weitere Kostenlose Bücher