Spiel mit dem Tod (German Edition)
von Athen und am Meer. Sie waren braungebrannt und wirkten glücklich. Ferrari rang nach Luft.
«Es tut mir unendlich leid, Frau Rost.»
«Sie sind an dieser Situation am wenigsten Schuld, Herr Ferrari. Sie haben zumindest meine Sorgen ernst genommen und nicht als hysterisches Getue einer frustrierten Hausfrau abgetan.»
Ferrari schlug verlegen die Augen nieder.
«Und für einen kurzen Augenblick glaubte ich sogar an den Erfolg Ihres Gesprächs.»
«Wieso?»
«Er schien mir irgendwie anders. Nicht mehr so in sich gekehrt. Schauen Sie, dort auf dem Tisch liegen sogar einige Urlaubsprospekte.»
«Urlaubsprospekte?», wunderte sich Ferrari. Er nahm sie vom Tisch und blätterte einen der Kataloge durch.
«Er hat mich gestern vom Büro angerufen, dass es später würde, denn er müsse noch eine Statistik für eine Sitzung vorbereiten. Als er nach Hause kam, hat er mir die Urlaubsprospekte gegeben. Hans hatte eine Reise gebucht, für uns! Gestern Nacht habe ich seit langem wieder ruhig schlafen können. Ich dachte, wenn wir im Sommer wegfahren, kommt er vielleicht auf andere Gedanken. Und, wenn ich ehrlich sein will, dann hoffte ich auch, damit ein wenig Zeit zu gewinnen. Bis nach den Sommerferien würde er sich bestimmt nichts antun. An diesen dummen Katalogen hing ein klitzekleiner Rest von Hoffnung. Aber da habe ich mich bitter getäuscht.»
«Vielleicht war das sein letztes Ablenkungsmanöver.»
Sie überlegte lange.
«Das glaube ich nicht. Sie würden Hans doch bestimmt als einen typischen Beamten bezeichnen, oder?»
«Ja.»
«Und ein typischer Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst, wie man heute so schön sagt, ist korrekt im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten, auf Sicherheit für die Familie bedacht, sparsam, immer die Preise vergleichend. Nicht besonders kreativ, dafür bodenständig. Hans konnte mir nichts vormachen. Deshalb war ich auch absolut sicher, dass wir zusammen in den Urlaub fahren würden.»
«Und dann hat er es sich aus irgendeinem Grund anders überlegt.»
«Was vollkommen seinem Naturell widerspricht.» Sie erhob sich und kramte aus einem Ordner einen Beleg hervor. «Sehen Sie hier. Er hat eine Reise nach Kreta gebucht und musste einen Drittel anzahlen. Das meine ich, wenn ich sage, es widerspricht vollkommen seinem Naturell. Dass er Kataloge im Reisebüro holt und sie liegen lässt als Ablenkungsmanöver, das könnte ich mir zur Not noch vorstellen. Aber, dass er bucht und eine Anzahlung leistet mit dem Vorsatz, die Reise nicht anzutreten, das ist nicht die Art von Hans. Das ist nicht der Hans, den ich ein Leben lang kenne.»
«Und trotzdem ist er heute Morgen vom Dach gesprungen.»
Der letzte Satz hatte sie unwillkürlich wieder mit den Tatsachen konfrontiert. Sie nickte nur.
«Wenigstens haben jetzt seine Qualen ein Ende. Und meine werden nie mehr enden. Kann ich ihn nochmals sehen?»
«Es ist kein schöner Anblick, Frau Rost. Wollen Sie ihn nicht lebendig in Erinnerung behalten?»
«Ich möchte ihn sehen, Herr Ferrari. Das bin ich ihm und mir schuldig.»
«Ganz wie Sie wollen.»
«Vielen Dank für alles.»
«Ich hätte Ihre Besorgnis viel ernster nehmen müssen.»
«An der Situation hätte es nichts geändert. Wann kann ich meinen Mann sehen?»
«Morgen früh, sagen wir um 10 Uhr.»
«Das ist gut. Ich habe noch einen Wunsch.»
«Wenn ich ihn erfüllen kann, gerne.»
«Würden Sie mich morgen begleiten?»
Ferrari schluckte. Er fühlte sich schuldig, Christina Rost gegenüber verpflichtet, aber das Leichenschauhaus war so ziemlich der letzte Ort, zu dem es ihn hinzog.
«Bitte, Herr Kommissär!»
«Na gut, ich hole sie um 9.30 Uhr ab.»
«Ich danke Ihnen.»
Sie winkte ihm hinter den Gardinen zu, als er das Haus verliess. Ferrari hob abwesend die Hand. Sein Blick verlor sich in der Ferne, er war im Grübeln versunken. Weshalb bucht Rost eine Reise und springt dann vom Dach? Das passte wirklich nicht zu dem, was Christina Rost über ihren Mann erzählte. Und auch nicht zu dem Bild, das er sich von Rost gemacht hatte. Irgendetwas stimmte nicht, sagte die Intuition. Aber nein, du siehst Gespenster, Francesco, sagte die Vernunft und versuchte sogleich den aufkeimenden Gedanken abzuwürgen. Es war ein ganz normaler Selbstmord. Ganz normal. Nicht mehr und nicht weniger. Na ja. Als der Kommissär sein Büro betrat, hatte er sich entschieden. Er würde mit dem Gerichtsmediziner sprechen. Vielleicht gab es Anzeichen von Gewalteinwirkung. Apropos Gerichtsmedizin,
Weitere Kostenlose Bücher