Spiel ohne Regeln (German Edition)
Becca? Hat er behauptet, nicht verheiratet zu sein? Herrgott, wie naiv du bist!«
Das verschlug ihr die Sprache. Becca hatte Mühe, eine zusammenhängende Antwort zu formulieren. Ihr Mund klappte auf und wieder zu, als ihr dämmerte, dass die Schlussfolgerung, die Marla gezogen hatte, absolut naheliegend war und wesentlich logischer und glaubwürdiger als die schreckliche Wahrheit.
Marla tobte leise weiter. In ihrer Stimme schwang unüberhörbarer Zorn mit. »Das neben ihm ist seine Frau, Helen Mathes. Erinnerst du dich an die große Blondine mit den vielen Klunkern? Eine große Wohltäterin, sitzt in sämtlichen karitativen Ausschüssen der Stadt? Sie nahm an dem Mutter/Tochter-Essen teil, das du letztes Jahr organisiert hast. Mit ihren neun und zwölf Jahre alten Mädchen. Vorlaute kleine blonde Gören, alle beide. Du erinnerst dich nicht an die Frau?«
Becca schüttelte den Kopf. »Nein, ich erinnere mich nicht«, gestand sie leise.
»Ich hoffe inständig, dass du nicht auf dumme Gedanken kommst, Becca. Wie zum Beispiel, dass er seine Frau für dich verlassen wird.« Marla musterte sie mit kritischem Blick. »Bitte, bleib realistisch! Du bist ein sehr hübsches Mädchen und sehr süß, aber wohl kaum eine Femme fatale.«
»Marla, ich habe nicht … «
»Und jetzt betreib Schadensbegrenzung!« Marla zog eine Handvoll parfümierter Gesichtstücher aus dem pinkfarbenen Marmorspender und drückte sie Becca in die Hand. »Es tut mir von Herzen leid, dass du in einer einzigen Woche nicht nur eine, sondern sogar zwei romantische Enttäuschungen erleben musstest. Aber jetzt hast du die Gelegenheit, zu zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist. Ich möchte sehen, wie professionell du sein kannst.«
»Aber, Marla, ich … «
»Geh dort raus und arbeite, als wäre nie etwas passiert! Es ist die einzig würdevolle Sache, die du tun kannst«, erklärte Marla. »Was wird er tun? Was kann er tun? Nichts, Becca. Wenn er dich bemerkt, zeige Klasse! Lächle! Gib vor, ihn nie zuvor gesehen zu haben! Schenke auch seiner Frau ein strahlendes Lächeln! Lass ihn sich fragen, wozu du fähig bist! Soll er sich winden und sorgen. Er verdient es, dieser verlogene, betrügerische Wichser. Aber lass dich nicht von ihm kontrollieren!«
Marlas Vortrag wurde mit glockenheller Stimme vorgetragen, der nur noch eine inspirierende Titelmusik zur Untermalung gefehlt hätte.
Becca betrachtete den ernsten Gesichtsausdruck ihrer Chefin, als sie realisierte, dass sie sich wünschte, genau das tun zu können, was sie von ihr verlangte. Einfach funktionieren.
Dass das jetzt passieren musste. Es kam ihr so entsetzlich, so unfassbar vor. War das Ganze am Ende nur eine wahnwitzige Halluzination gewesen? Ein schlechter Traum, den sie unbedingt vergessen wollte? Oder wenigstens verdrängen? Vielleicht, wenn sie vorgäbe … und hoffte, dass er sie nicht bemerkte oder nicht wiedererkannte … ?
Nein. Das war keine Option. Sie hatte gesehen, was sie gesehen hatte. Sie war durch Blutströme gewatet. Sie musste sich den Tatsachen stellen, sie sich eingestehen und die Konsequenzen ziehen.
»Ich kann dort nicht wieder reingehen«, sagte sie ruhig. »Es tut mir schrecklich leid.«
Marlas Gesicht wurde verkniffen. »Du lässt mich mitten in einem der wichtigsten Ereignisse des Jahres im Stich, weil du mit dem falschen Kerl geschlafen hast? Himmelherrgott noch mal, Becca! So was ist jedem schon mal passiert! Komm drüber weg! Werd erwachsen!«
Ich habe nicht mit diesem schleimigen Dreckschwein geschlafen. Eher würde ich sterben .
Sie wollte ihr die Worte entgegenbrüllen, schluckte den Impuls jedoch hinunter, wenngleich er wie ein großer Stein ihre Kehle aufschürfte.
Sie mochte und respektierte Marla. Trotz ihrer scharfen Zunge und ihrer Zickigkeit unterstützte und beschützte sie ihre jüngeren Mitarbeiter, war ihnen gegenüber sogar mütterlich. Becca schätzte Marlas Meinung.
Doch an diesem Punkt gab es nur zwei Optionen: Marla konnte entweder glauben, dass Becca eine willensschwache, verängstigte Schlampe war, oder sie konnte glauben, dass Becca eine an Wahnvorstellungen leidende, paranoide Irre war. Beide Optionen waren schmerzvoll.
»Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen«, sagte sie und meinte es mit jeder Faser ihres Herzens. »Aber ich habe meine Gründe. Ich kann es einfach nicht.«
Marlas Augen wurden schmal, und sie öffnete den Mund. In diesem Moment betrat eine andere Frau die Damentoilette und strebte auf eine der
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