Spiel ohne Regeln (German Edition)
Kabinen zu. Marla wartete, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann lehnte sie sich vor und flüsterte hitzig in Beccas Ohr.
»Ich gebe dir fünf Minuten, um diese Entscheidung noch einmal zu überdenken. Sehe ich dich danach nicht im Kristallsaal, bist du mit sofortiger Wirkung entlassen. Auf Wiedersehen, Becca! Alles Gute für deine Zukunft!«
Damit rauschte sie davon, ihre Absätze klapperten wütend auf den glänzenden Marmorfliesen.
Mit weißen Knöcheln klammerte Becca sich am Waschbeckenrand fest, während ihre komplette Welt aus der Verankerung gerissen wurde. Alle Hoffnungen, Tagträumereien und Erwartungen wurden plötzlich und brutal der Realität untergeordnet.
Gefeuert. Einfach so. Als krönender Abschluss von Vergewaltigung, Folter und Mord musste sie sich jetzt auch noch darum sorgen, wie sie ihre Miete bezahlen sollte. Und Carries. Und Joshs.
Sie versuchte, sich zu beruhigen. Es war ja nicht so, als hätte sie irgendetwas zu verlieren. Sicher, es drohte die Arbeitslosigkeit. In der langsamen Warteschlange hatte sie schon früher gestanden. Wenn sie nicht dort hinausginge und sich um das Bankett kümmerte, würde sie ihren Job verlieren, ja. Aber wenn sie es tat, dann würde sie sterben. Tote Mädchen brauchten keine Jobs.
Von einem ironischen Lachanfall geschüttelt, beugte sie sich vornüber, eine Hand auf ihren noch immer rebellierenden Magen gepresst. Oh Mann, das war echt mal ein tröstlicher Gedanke!
Nun gut! Ihre Kündigung war ihr finales Stichwort, um abzuhauen. Sie bezwang ihre Angst und ihren Schock, dann steckte sie den Kopf aus der Tür, um nachzusehen, ob die Luft rein war. Niemand weit und breit. Auf Zehenspitzen sprintete sie den Flur entlang in Richtung der Verwaltungsbüros am Ende des Flügels.
Ein schneller Abstecher in ihr Büro, um ihre Handtasche, ihr Handy, ihre Schlüssel einzusammeln. Sie schlüpfte in ihren Mantel, zog sich die Kapuze über den Kopf. Gott, wie sehr sie sich wünschte, ihr Haar blondiert zu haben, wie Nick es ihr geraten hatte. Warum war sie nur so dickköpfig gewesen? Warum war sie so eine unterbelichtete Idiotin?
Sie verweilte einen sehnsüchtigen Moment in dem Büro, das sie sich mit Shay, Marlas Verwaltungsassistentin, geteilt und in dem sie drei Jahre lang so hart gearbeitet hatte. All ihre Anstrengungen – für nichts. Marla würde ihr nach dem heutigen Abend kein Zeugnis ausstellen. Beruflich war sie wieder zurück am Anfang. Das bedeutete Jobs in der Gastronomie, bei Zeitarbeitsfirmen, keine Sozialleistungen, keine Krankenversicherung, keine Zukunft.
Konzentrier dich darauf, am Leben zu bleiben, Dumpfbacke! Sie fummelte die Büroschlüssel von ihrem Bund und hinterließ sie zusammen mit einer kurzen schriftlichen Erklärung und einem Abschiedsgruß auf Shays Schreibtisch. Sie schaltete die Lichter aus, drückte die Tür auf und spähte in den Flur.
Sie zog den Kopf sofort wieder zurück. Ihr Herz hämmerte wie wild gegen ihre Rippen. Er war da, stand dort draußen, keine zehn Meter von ihrer Bürotür entfernt. In der Sekunde, die sie gebraucht hatte, um ihn zu erkennen, war er zu sehr in eine Diskussion mit einer Frau vertieft gewesen, um zu bemerken, wie die Tür einen Spaltbreit geöffnet wurde.
Eine dunkelhaarige Frau in einem langen Regenmantel. Nicht Helen Mathes.
Becca zog die Tür ganz vorsichtig zu und verriegelte den Knauf. Sie versuchte, trotz des ohrenbetäubend lauten Pochens ihres Herzens zu atmen, zu denken. Ihr Inneres war wie eiskalter Schneematsch, der mit jedem weiteren Adrenalinstoß sulziger wurde. Sie kauerte sich gegen die Tür, und Tränen sickerten zwischen ihren fest geschlossenen Lidern hervor. Sie wünschte sich, eine Schusswaffe bei sich zu haben, so wie Nick, oder die Fähigkeit, Hälse zu brechen, Kehlen aufzuschlitzen, Schädel wegzupusten, falls jemand ihr dumm kam.
Im Grunde hoffte sie einfach nur, dass die beiden sich verziehen und ihr damit eine Möglichkeit zur Flucht geben würden. Sie war so ein feiger Hasenfuß.
Klick . Eine Tür wurde geöffnet. Klick . Plötzlich drang Licht aus dem angrenzenden Büro ins Zimmer. Marlas Büro. Ihre Chefin hatte es unverschlossen gelassen. Die Verbindungstür zwischen den beiden Büros stand weit offen.
Oh großer Gott! Becca befand sich direkt in ihrem Blickfeld, als die beiden, noch immer heftig diskutierend, durch die Tür kamen.
»… zur Hölle hast du eigentlich hier verloren? Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fauchte
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