Spiel ohne Regeln (German Edition)
Wenn ihre Zeit kam, würde sie sich daran festklammern, so gut sie konnte.
Nick war in seinem ganzen Leben noch nie so schnell gefahren. Er raste über den Hof des Lagerhauskomplexes, halb wahnsinnig vor Angst bei dem Gedanken, dass Becca hier allein in der Dunkelheit festsaß. Das jungfräuliche Opfer. U nschuldig .
Er kramte die Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Er hätte sie ihr dalassen sollen. Verdammt, er hätte Becca niemals hier zurücklassen dürfen!
Der Mond spendete ein unstetes Licht, während Wolkenfetzen über den Himmel jagten. Im Inneren des Gebäudes würde es so dunkel wie in einer Teergrube sein, und er selbst hatte Becca dort angekettet.
Stopp! Konzentrier dich auf das Wesentliche! Es hatte keinen Sinn, sich jetzt selbst zu geißeln, weil er es wieder mal vermasselt hatte. Dafür blieb ihm noch sein ganzes restliches Leben. Becca persönlich konnte die Bestrafung vornehmen. Aber jetzt musste er sich darauf konzentrieren, alles richtig zu machen. So richtig, wie er nur konnte.
Die Verletzung, die er ihr zugefügt hatte, würde vermutlich niemals verheilen. Mit solchen Verletzungen kannte er sich aus. Er hatte seine ganze Kindheit lang beobachtet, wie sie einem anderen Menschen beigebracht wurden, wie sie eiterten, bis die Liebe nur noch eine vage, bittere Erinnerung war.
Sie würde ihn niemals wiedersehen wollen. Darüber war er sich im Klaren. Aber es wäre genug zu wissen, dass die Becca, die er liebte, noch immer existierte, und zwar exakt als der Mensch, als den er sie von Anfang an eingeschätzt hatte. Selbst wenn er sie nicht verdiente, weil er ein kalter, misstrauischer, verkorkster, hirntoter Bastard war.
Doch das Wissen um ihre Existenz würde ihn trösten, selbst wenn er allein bliebe.
Er stemmte die Türen auf. Der Lichtstrahl seiner Taschenlampe durchbohrte die höhlenartige Dunkelheit und tastete über kleine, pelzige Körper, die davonwuselten, um sich in Sicherheit zu bringen. Ratten . Scheiße! Ein weiterer Nagel zu seinem Sarg.
»Becca?«, rief er. »Hallo!«
Keine Antwort. Ihn überlief ein Frösteln. Undenkbar, dass sie eingeschlafen war. Vielleicht war ihr einfach nicht danach, mit ihm zu sprechen. Er konnte es ihr kaum verübeln.
»Becca!« Er sprintete durch den Mittelgang bis zur fünften Regalreihe, wo er sie festgekettet hatte. »Ich weiß, dass du stinksauer bist, aber … «
Nick bog ums Eck, dann kam er schlitternd zum Stehen. Eiskaltes, unaussprechliches Entsetzen schlug seine Krallen in sein Herz, um es zu zerfleischen. Ratten huschten davon.
Sie war nicht hier. Die Tüten waren da, die Wasserflaschen und die verstreuten Proteinriegel, aber Becca, die Handschellen und die Kette waren verschwunden.
Er wollte sich übergeben. Oh Scheiße! Er wusste nicht, wo er beginnen, wohin er sich wenden, von welcher Klippe er springen sollte. Er wollte heulen wie ein tollwütiger Hund.
Da war kein Geräusch, aber die Luft hinter ihm hatte sich bewegt und warnte ihn gerade noch rechtzeitig, sodass er sich blitzschnell umdrehte und ihn das lange Metallrohr an der Stirn traf anstatt auf dem Hinterkopf.
Blendend weiß-rote Lichter explodierten, dann glitt er ein langes, quälend schmerzhaftes Gefälle hinab und versank in einem öligen schwarzen Nichts.
Becca hatte angenommen, dass das, was in der Lagerhalle geschehen war, ihren zärtlichen Gefühlen für Nick den Todesstoß versetzt hätte, dass sie nicht mehr tiefer fallen könnte. Wie sehr sie sich doch geirrt hatte!
Kristoff und der Mann, den Zhoglo Mikhail nannte, hatten den bewusstlosen, gefesselten, blutenden Nick hereingeschleift. Zhoglo ließ seinem Zorn freien Lauf, indem er auf ihn eintrat – in den Rücken, gegen die Beine, in den Bauch, den Schritt, das Gesicht. Jeder entsetzliche, dumpfe Tritt gegen Nicks leblosen Körper war, als würde Beccas eigenes Fleisch misshandelt werden.
Aber es würde noch viel schlimmer kommen. Das war immerhin Zhoglos Spezialität. Es würden unermessliche Qualen, Demütigung und Verzweiflung folgen.
Nicks Hände und Füße waren mit Kabelbindern fixiert und so miteinander verzurrt, dass er sich nur zusammenkauern konnte.
Zhoglo trat den Tisch mit den Snacks um, die Pavel ihnen nach draußen gebracht hatte. Kristallgläser zerbrachen, Essen flog in alle Richtungen, Wein sickerte dunkel und zäh wie Blut aus der Flasche.
Becca zuckte zusammen, als Zhoglo zu einem weiteren brutalen Tritt in Nicks Nieren ansetzte, womit sie seine Aufmerksamkeit auf ihre eigene klägliche
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