Spiel ohne Regeln (German Edition)
Waffe.
Ihre Hände kribbelten.
Kristoff verhöhnte Nick auf Ukrainisch. Sie verstand die Worte nicht, aber der Tonfall war unmissverständlich. Blut sickerte aus Kristoffs Nase, als er sich in eine hockende Haltung aufrichtete. Er schenkte ihr keine Beachtung.
Sie griff an. Ihre Arme schnellten nach vorn und schlangen die Kette um Kristoffs feisten Hals. Sie riss ihn nach hinten, dabei hätte sein Gewicht sie fast zu Fall gebracht, aber die Kraft der Verzweiflung hielt sie auf den Füßen. Keuchend umklammerte er seine Kehle, aber er zappelte noch immer wie ein Krebs auf dem Boden und versuchte, sich aufzurichten, als Becca mit dem Rücken gegen die Brüstung prallte. Sie stellte einen Fuß auf die unterste Querstange, stemmte sich nach oben, schob den Hintern auf das Geländer …
Und stürzte sich rücklings in die Tiefe.
Ein freier Fall in die Dunkelheit. Bis die Kette ihren Sturz abrupt abbremste. Becca schrie vor Schmerz auf. Ihr ganzes Gewicht hing an ihren gefesselten Handgelenken und den Enden der massiven Kette, die sie um ihre Hände und Unterarme gewickelt hatte. Die Fesseln schnitten in ihre Haut, die brutal eng zugezogene Kette zerquetschte ihr Handgelenke und Finger wie mit einem Schraubstock. Oh Gott, es tat so weh …
Sie schaute nach oben, blinzelte die Tränen aus ihren Augen und versuchte, ihr panisches Schluchzen zu unterdrücken. Sie hatte vage darauf gehofft, Kristoff mitzureißen und ihn zu Tode zu stürzen, aber er war an dem Geländer hängen geblieben und hatte sich erdrosselt.
Er gab kein Geräusch von sich. Es herrschte Stille, bis auf das Rascheln der Bäume. Gleich einem grotesken Pendel schaukelte sie, gefangen in einem Nebel aus Angst und Schmerz, hin und her. Weiche Kiefernnadeln kitzelten ihre Arme und Beine. Blut rann über ihre Unterarme.
Ein hämisches Lachen erklang irgendwo über ihr.
Sie hob den Blick. Zhoglos Gesicht schwebte wie ein Vollmond über der Brüstung. Sein Mund war zu der Karikatur eines Lächelns verzerrt.
Er applaudierte träge. »Bravo, Rebecca! Du hast mir einen Gefallen getan. Wie mich die Vorstellung angeödet hat, diesen Idioten auch noch umbringen zu müssen. Du hast mir das erspart, dazu noch auf solch unterhaltsame Weise. Absolut grausig. Willst du es sehen? Komm, Pavel, hilf mir, sie hochzuziehen! Ich möchte ihr zeigen, was der Lohn für ihren Ungehorsam ist.«
Pavel tauchte neben Zhoglo auf, sein ausgezehrtes Gesicht war völlig ausdruckslos. Becca konnte sich ein klagendes Wimmern nicht verkneifen, als er sie hochzog und ein glühender Schmerz ihre Hände versengte, während sich der Abstand zwischen ihr und diesem feixenden Albtraum Zhoglo verringerte. Schließlich packte Pavel sie unter den Achseln und hievte sie über die Brüstung. Er stellte sie auf die Füße.
Glitschiges Blut überzog die Kette, die Handschellen, Beccas Hände. Ihre zertrümmerten Finger pochten qualvoll. Zhoglo fasste nach der Kette und riss daran. Mit einem gellenden Schmerzensschrei fiel Becca auf die Knie.
»Ich liebe aufsässige Frauen«, sagte er. »Ihr Kriechen und Flehen ist am Ende nur umso süßer.« Er deutete auf Kristoff. »Sieh nur, was du getan hast, Rebecca! Dabei bist du zart wie eine Nymphe.«
Kristoffs Kopf zeigte nach hinten, an seinem Kehlkopf prangte ein dunkles, blutiges Mal. Durch ihren Sturz hatte sich die Kette um seinen Hals zugezogen und ihn getötet. Sein Gesicht war violett angelaufen, seine Augen blickten starr. Becca wandte den Blick ab und richtete ihn auf die sich ausbreitende Blutlache neben Nicks leblosem Körper. Dann bemerkte sie, wie Nick sich regte.
Sie schaute weg, als hätte sie es nicht gesehen, und beobachtete nur aus dem Augenwinkel, wie er sich aufsetzte.
Zhoglo wölbte die Hände um Beccas blutverschmierte Brust, hob die blutigen Finger an seine Lippen, nahm sie bedächtig einen nach dem anderen in den Mund und saugte daran. Becca fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
Nick machte einen schlurfenden Schritt auf sie zu. Dann noch einen.
Das Geräusch, das die ganze Zeit schon ihr Unterbewusstsein gekitzelt hatte, wurde schließlich identifizierbar. Das Geheul von Polizeisirenen. Sie wurden lauter.
»Die Cops sind auf dem Weg«, sagte Nick. »Hört ihr sie?«
Beim Klang seiner tiefen Stimme fuhren Pavel und Zhoglo zu ihm herum und richteten die Waffen auf ihn. Nick presste die Hände vor seine Brust. Blut sickerte zwischen den Fingern hindurch. Seine Augen blickten schrecklich gelassen.
Zhoglos irres Lachen ließ
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