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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Nasenwurzel war von Sommersprossen übersät. Aber klein war er auch.
    »Zieh eine Regenjacke an«, sagte seine Mutter.
    »Ich geh nur schnell meine Regenjacke holen«, rief Trond und lief ins Haus. Wir blieben stumm stehen und warteten, die Arme am Körper angelegt wie zwei Pinguine. Es regnete nicht mehr. Leichter Wind ließ die Wipfel der hohen, schlanken Kiefern, die vereinzelt in den Gärten standen, schwanken. Ein kleiner Bach lief am Straßenrand abwärts, zog an manchen Stellen kleine Haufen Kiefernnadeln mit sich, die gelben Vs oder gelben Beine, die überall verstreut lagen.
    Hinter uns riss die Wolkendecke auf. Die Landschaft, in der wir standen, mit all ihren Häuserdächern, Höfen, Wäldchen, Hügeln und Böschungen, bekam etwas Glühendes. Von dem Hügel oberhalb unseres Hauses ausgehend, den wir nur den »Berg« nannten, wölbte sich ein Regenbogen.
    »Seht mal!«, rief ich. »Der Regenbogen!«
    »Wow!«, sagte Geir.
    Oben am Haus schloss Trond die Tür hinter sich und lief auf uns zu.
    »Da ist ein Regenbogen auf dem Berg!«, sagte Geir
    »Sollen wir den Schatz suchen gehen?«
    »Ja, das machen wir!«, erwiderte Trond.
    Wir liefen die Straße hinunter. Auf dem Hof vor Karlsens Haus stand Anne Lene, Kent Arnes kleine Schwester, und schaute uns hinterher. Damit sie nicht weglaufen konnte, war sie an eine Leine angeschirrt. Das rote Auto ihrer Mutter stand in der Einfahrt. In einer Lampe an der Wand brannte eine Glühbirne. Vor Gustavsens Haus wurde Trond langsamer.
    »Leif Tore will bestimmt auch mitmachen«, meinte er.
    »Ich glaube nicht, dass er zu Hause ist«, sagte ich.
    »Wir fragen trotzdem«, entschied Trond und ging zwischen den beiden gemauerten Torpfeilern hindurch, die jedoch durch kein Tor miteinander verbunden waren, weshalb mein Vater sich des Öfteren über sie lustig machte, und die Einfahrt zum Haus hinauf. Auf den Pfeilern waren hohle Metallkugeln eingemauert worden, aus denen Pfeile ragten, und das Ganze wurde von einem nackten Mann mit gekrümmtem Rücken getragen. Es war eine Sonnenuhr, und auch über sie machte sich mein Vater lustig, denn was wollte man eigentlich mit zwei Sonnenuhren?
    »Leif Tore!«, rief Trond. »Kommst du raus?«
    Er sah uns an. Daraufhin riefen wir zu dritt.
    »Leif Tore! Kommst du raus?«
    Es vergingen einige Sekunden. Dann wurde über uns das Küchenfenster geöffnet, und seine Mutter steckte den Kopf heraus.
    »Er kommt gleich. Er muss sich nur noch Regensachen anziehen. Ihr braucht nicht mehr nach ihm rufen.«
    Ich hatte glasklare Vorstellungen von der Beschaffenheit des Schatzes. Ein großer, schwarzer Kessel mit drei Beinen, randvoll mit glitzernden Sachen gefüllt. Gold, Silber, Diamanten, Rubine, Saphire. Er stand an den Enden des Regenbogens, auf jeder Seite gab es einen. Wir hatten schon einmal – erfolglos – nach ihm gesucht. Man musste sich beeilen, Regenbögen blieben nicht lange bestehen.
    Leif Tore, der nun schon eine ganze Weile ein Schatten hinter der gelben Glasscheibe in der Tür gewesen war, öffnete sie endlich. Um ihn herum strömte eine Welle warmer Luft ins Freie. Bei ihm zu Hause war es immer so warm. Ein schwacher Hauch von etwas, was gleichzeitig süß und sauer roch, stieg mir in die Nase. So roch es bei ihnen. Außer unserem eigenen hatte jedes Haus seinen eigenen Geruch, und das war ihrer.
    »Was wollen wir tun?«, fragte er und knallte die Tür hinter sich so fest zu, dass das Glas klirrte.
    »Auf dem Berg ist ein Regenbogen, wir wollen den Schatz suchen«, antwortete Trond.
    »Na, dann kommt!«, rief Leif Tore und lief los. Wir rannten ihm hinterher, das letzte Stück den Hügel hinunter und auf den Weg, der den Berg hinaufführte. Ich sah, dass Yngves Fahrrad noch nicht wieder an seinem Platz stand, aber der grüne Käfer meiner Mutter und der rote Kadett meines Vaters waren da. Als ich gegangen war, staubsaugte meine Mutter gerade im Haus, und etwas Schlimmeres gab es für mich nicht, ich hasste das Geräusch, es war wie eine Wand, die gegen mich gepresst wurde. Außerdem öffneten sie die Fenster, wenn sie putzten, die Luft im Haus wurde eiskalt, und es kam mir vor, als übertrüge sich diese Kälte auch auf Mutter, sie strahlte keine zusätzliche Wärme mehr aus, wenn sie über den Putzeimer gebeugt stand und den Aufnehmer auswrang oder wenn sie den Besen oder Staubsauger über den Boden schob, und da für mich nur Platz in dem war, was es zusätzlich gab, wurde auch ich an diesen Samstagvormittagen kalt, so kalt, dass

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