Spielen: Roman (German Edition)
etwas unter ihr befinden sollte.
»Nur hier?«, fragte jemand. »Können wir dann nicht einfach woanders hingehen? Zum Tjenna?«
»Oder nach Lille-Hawaii?«
»Da hausen andere Nöcks. Sie sind gefährlich. Das ist die Wahrheit. Mama und Papa sagen das. Sie rauben Kinder und ertränken sie.«
»Kann der Geist zu uns hochkommen?«
»Das weiß ich nicht. Nein, das glaube ich nicht. Nein. Das ist zu weit weg. Es ist nur unten am Ufer gefährlich.«
Danach hatte ich Angst vor dem Nöck, allerdings nicht so viel Angst wie vor Füchsen, der Gedanke an sie versetzte mich in panische Angst, und wenn ich sah, dass sich ein Busch bewegte, und ich etwas vorbeirascheln hörte, musste ich zu einem sicheren Ort laufen, zu einer Lichtung im Wald oder in die Siedlung, in die sich die Füchse niemals vorwagten. Ja, vor Füchsen fürchtete ich mich so sehr, dass es schon reichte, wenn Yngve sagte, ich bin ein Fuchs, jetzt komme ich dich holen, wenn er über mir in unserem Etagenbett lag, um mich vor Angst erstarren zu lassen. Nein, du bist kein Fuchs, widersprach ich ihm. Doch, beharrte er, lehnte sich über die Bettkante und schlug mit der Hand nach mir. Obwohl er das tat, obwohl er mir manchmal Angst machte, vermisste ich ihn, als jeder von uns ein eigenes Zimmer bekam und ich auf einmal alleine schlafen musste. Es funktionierte reibungslos, denn auch das neue Zimmer war ja im Haus, aber es funktionierte nicht mehr so gut wie früher, als er bei mir, im Bett über mir war. Damals konnte ich ihn ja einfach fragen, zum Beispiel, Yngve, hast du Angst, sagen und er mir antworten, Nein, warum sollte ich Angst haben? Hier gibt es doch nichts, wovor man Angst haben müsste, und ich hätte gewusst, dass er recht hatte, und hätte Ruhe gefunden.
Die Angst vor Füchsen verlor ich ungefähr mit sieben. Die Lücke, die sie hinterließ, wurde allerdings rasch von anderen Dingen gefüllt. Eines Vormittags ging ich am Fernseher vorbei, der eingeschaltet war, ohne dass jemand fernsah, und es lief ein Film, und in diesem, oh nein, stieg ein Mann ohne Kopf eine Treppe hoch! Ooooh! Ich lief in mein Zimmer, aber das half mir natürlich nicht, dort war ich genauso schutzlos und allein, also musste ich nach meiner Mutter suchen, wenn sie zu Hause war, oder nach Yngve. Das Bild des kopflosen Mannes verfolgte mich, und das nicht nur in der Dunkelheit, wie meine anderen schrecklichen Hirngespinste es taten. Nein, der Mann ohne Kopf konnte mitten am helllichten Tag Besitz von mir ergreifen, und wenn ich dann alleine war, half es nicht, dass die Sonne schien und die Vögel sangen. Mein Herz hämmerte, und die Furcht breitete sich blitzschnell bis in den kleinsten Nerv hinein aus. Es war fast noch schlimmer, dass die Dunkelheit auch im Licht war. Ja, wenn es etwas gab, wovor ich mich wirklich fürchtete, dann war es die Dunkelheit im Licht. Das Schreckliche bestand darin, dass sich dagegen absolut nichts tun ließ. Es brachte nichts, um Hilfe zu rufen, es brachte nichts, mitten auf einem offenen Platz zu stehen, es brachte nichts wegzulaufen. Dann gab es da noch dieses Titelblatt des Detektivmagazins, das mein Vater mir einmal gezeigt hatte, ein Heft, das ihm selbst als Kind gehört hatte und auf dem ein Skelett stand, das einen Mann auf dem Rücken trug, und das Skelett hatte den Kopf gedreht und sah mich mit seinen leeren Totenschädelaugen direkt an. Auch vor diesem Knochengerüst bekam ich Angst, auch dieses tauchte in allen möglichen und unmöglichen Zusammenhängen auf. Außerdem fürchtete ich mich vor dem Heißwasserhahn im Bad. Ließ man heißes Wasser laufen, ertönte in den Rohren nämlich ein schneidender Ton, und wenn man dann nicht sofort abdrehte, begann es unmittelbar darauf in ihnen zu hämmern. Diese Töne, die so wüst und laut waren, versetzten mich in panische Angst. Es gab einen Weg, sie zu vermeiden, man musste erst das kalte Wasser aufdrehen und das heiße Wasser danach gleichsam hervorlocken. Mutter, Vater und Yngve beherrschten diese Kunst. Ich hatte es versucht, aber der durchdringende Ton, der durch die Wände schnitt und dem in rasch zunehmender Frequenz das Hämmern folgte, als steigerte sich da unten jemand in einen Tobsuchtsanfall hinein, setzte sofort ein, sobald ich den Heiß wasserhahn aufdrehte, so dass ich ihn blitzschnell wieder zudrehte und am ganzen Leib von Angst gepackt hinauslief. Und so wusch ich mich entweder mit kaltem Wasser oder übernahm morgens Yngves schmutziges, aber lauwarmes Waschwasser.
Die Hunde,
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