Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
sagte Leif Tore. »Er kann doch nicht einfach von selbst verschwinden.«
    »Kann er wohl«, widersprach ich.
    »Nein«, sagte Leif Tore.
    »Doch«, beharrte ich. »Guck nach, mal sehen, ob du ihn findest!«
    »Da mache ich mit«, sagte Trond.
    »Ich auch«, stimmte Geir ihm zu.
    »Ich nicht«, erklärte ich.
    Sie wandten sich um, zogen los und schauten sich dabei nach allen Seiten um. Ich merkte, dass ich große Lust hatte, ihnen zu folgen, aber das ging jetzt natürlich nicht mehr. Stattdessen ließ ich den Blick schweifen. Hier war der beste Aussichtspunkt von allen. Man sah die Brücke, die aus den Baumwipfeln aufstieg, man sah den Sund, auf dem immer Boote unterwegs waren, und man sah die massiven, weißen Gastanks am anderen Ufer. Man sah Gjerstadholmen, man sah die neue Straße, die flache Betonbrücke, die hinüberführte, man sah davor die Bucht Ubekilen. Und man sah unsere Siedlung. Die vielen roten und orangen Dächer zwischen den Bäumen. Die Straße. Unseren Garten, Gustavsens Garten; der Rest blieb verborgen.
    Der Himmel über der Siedlung war inzwischen fast überall blau, die Wolken über der Stadt weiß, wohingegen sie auf der anderen Seite, hinter Ubekilen, immer noch grau und schwer hingen.
    Tief unter mir sah ich Vater. Eine winzig, winzig kleine Gestalt, nicht größer als eine Ameise, ganz oben auf der Leiter am Dach.
    Würde er mich hier oben sehen können?
    Ein Windstoß wehte heran.
    Ich drehte mich um und hielt Ausschau nach den anderen. Zwei gelbe und ein hellgrüner Fleck, die sich zwischen den Bäumen hin und her bewegten. Der Felsgrund auf dem Plateau war dunkelgrau und hatte annähernd die gleiche Farbe wie der Himmel dahinter, mit gelbem und an manchen Stellen fast weißem Gras in den Spalten. Ein dünnerer Ast, der von einem dicken Ast ausging, der selbst nicht den Boden berührte, ruhte vollständig auf seinen vielen nadeldünnen Zweigen. Das sah merkwürdig aus.
    In dem dahinter beginnenden Wald war ich im Grunde noch nie gewesen. Der äußerste Punkt, den ich auf diesem Weg jemals erreicht hatte, war ein großer, entwurzelter Baum etwa dreißig Meter weiter. Von dort aus sah man einen Hang hinunter, auf dem nichts als Heidekraut wuchs. Mit den langen, schmalen Kiefern zu beiden Seiten und den dichter wachsenden Fichten als unterhalb stehende Wand ähnelte das Ganze einem großen Zimmer.
    Geir meinte damals, er habe einen Fuchs gesehen. Ich glaubte ihm nicht, aber mit Füchsen war nicht zu scherzen, so dass wir unsere Brote und die Saftflaschen sicherheitshalber zur Kante des Bergs mitnahmen, wo die gesamte bekannte Welt unter uns lag.
    »Hier ist er!«, rief Leif Tore. »Oh Mann! Der Schatz!«
    »Oh Mann!«, wiederholte Geir.
    »So leicht legt ihr mich nicht herein!«, rief ich zurück.
    »Oh wow!«, rief Leif Tore. »Wir sind reich!«
    »Oh Mann, klasse!«, sagte Trond.
    Dann wurde es still.
    Hatten sie ihn wirklich gefunden?
    Ach was. Sie wollten mir nur einen Bären aufbinden.
    Aber der Fuß des Regenbogens war genau da gewesen.
    Und wenn es nun stimmte, was Leif Tore sagte, dass der Kessel nicht mit dem Regenbogen verschwand? Ich trat einen Schritt vor und versuchte, durch die Wacholderbüsche zu spähen, hinter denen sie standen.
    »Wow! Sieh dir das an!«, sagte Leif Tore.
    Ich entschied mich blitzschnell, eilte im Laufschritt zwischen den Stämmen hindurch und an Sträuchern vorbei zu ihnen und blieb stehen.
    Sie sahen mich an.
    »Reingelegt! Ha, ha, ha! Reingelegt!«
    »Ich wusste die ganze Zeit Bescheid«, behauptete ich. »Ich wollte euch nur holen. Wenn wir uns nicht beeilen, verschwindet der Regenbogen.«
    »Ach Quatsch«, entgegnete Leif Tore. »Wir haben dich reingelegt. Gib’s zu.«
    »Komm, Geir«, sagte ich. »Wir suchen da unten nach dem Schatz.«
    Er sah Leif Tore und Trond an, die Sache gefiel ihm nicht. Aber er war mein bester Freund und kam mit. Trond und Leif Tore trotteten hinterher.
    »Ich muss pissen«, sagte Leif Tore. »Wollen wir um die Wette pissen? Über die Kante? Das wird ein echt langer Strahl!«
    Im Freien pissen, wenn Vater mich von unten sehen konnte?
    Leif Tore hatte schon seine Regenhose heruntergezogen und nestelte am Reißverschluss herum. Geir und Trond hatten sich links und rechts neben ihn gestellt und zogen mit wackelnden Pobewegungen die Regenhosen herunter.
    »Ich muss nicht pissen«, sagte ich. »Ich habe gerade erst gepisst.«
    »Das hast du nicht«, widersprach Geir, wandte sich mir zu und hielt gleichzeitig mit beiden Händen

Weitere Kostenlose Bücher