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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Fenster. Man hatte zwei Tische zusammengeschoben, damit alle Platz hatten. Ich sah sie schon von der anderen Seite des Boulevards durch die schmutzige Scheibe. Wir stießen die Glastür auf und schritten, immer noch etwas außer Atem, durch den Zigarettenqualm im Raum.
    Armstrong schaute ein bisschen komisch, als wir eintraten. Er winkte uns. Jetzt mach dich nicht verrückt, Sid, dachte ich. Dieser Blick hat nichts zu bedeuten.
    Aber es war keine bloße Einbildung. Es war wirklich ein komischer Blick.
    »Hi, Sid«, sagte Armstrong mit dieser rauen Stimme.
    Er wandte sich an die Musiker an den Tischen. Lauter harte, scharfgeschnittene Gesichter, wie Gangster in einem Film. »Jungs, ich stelle euch hier die Fünfte Kolonne vor. Das da ist Chip Jones, der Schlagzeuger. Er sieht wie ein Amerikaner aus und klingt auch so, aber er kommt direkt aus Berlin. Sein Freund ist Sid Griffiths.«
    »Ah, ein paar von den Jungs kenne ich schon.« Chip grinste. »Ich hab ihnen Geld beim Würfeln abgeknöpft.«
    »Das hättest du wohl gern, Mann.« Ein großer dunkler Typ mit einem dünnen Schnurrbart lachte.
    »Bertie, wie geht’s deiner Frau? Ist sie immer noch müde vom letzten Jahr?«
    Ich blieb stumm. Mein Mund fühlte sich an, als wäre er voller trockener Kekse.
    »Wo ist Little Louis?«, fragte mich Armstrong.
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ich hab ihn nicht gefunden«, sahte Chip. »Aber ich hab ihm eine Nachricht hinterlassen, dass er herkommen soll.«
    Einer von den Musikern, ein kleiner Dicker mit blonden Haaren, redete halblaut auf Französisch mit Louis. Die anderen lachten.
    »Hört mal bitte alle zu, Jungs«, sagte Armstrong. »Ich will euch jetzt vorstellen. Chip, das ist Jacques Painlevé, der Posaunist. Bertie wird auf den Klaviertasten klimpern. Hervé spielt verdammt gut Klarinette. Jean kennst du wahrscheinlich schon. Er soll neben dir in der hinteren Reihe den Bass zupfen.«
    Scheiße. Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Ich schaute hinunter auf meine Hände. Meine Fingernägel krallten sich in meine Handflächen.
    Chip schien es nicht einmal zu bemerken. Er alberte mit dem Posaunisten herum, und die anderen standen über den Tisch gebeugt und lachten. Armstrong wandte sich mir zu und legte mir seine große Hand auf die Schulter.
    »Sid«, sagte er ganz ruhig, »hab ein bisschen Geduld, sei so gut. Es ist nur dieses eine Mal. Wir werden noch mehr Aufnahmen machen. Jean passt einfach besser zu dem Stück.«
    Ich zuckte linkisch die Achseln, als ob es mir überhaupt nichts ausmachte.
    »Klar, Louis«, sagte ich. »Klar, kein Problem. Ist schon okay.«

    Es war überhaupt nicht okay.
    Ich kam zurück in die Wohnung, und alles fühlte sich fremd an, als sähe ich die Dinge zum ersten Mal. Dieser Staub überall, die verschrammten Tische, die knarzenden Bodendielen. Ich trottete an Sesseln vorbei, die mit Leintüchern bedeckt waren wie Leichen, an verdreckten Fensterbrettern. Die Tür des Badezimmers stand offen. Ich sah Delilah über das Waschbecken gebeugt, sie fuhr mit nassen Händen unter ihr goldenes Kopftuch und kratzte sich. Sie hörte mich atmen und fuhr erschrocken herum.
    »Ach, du bist’s, Sidney Kidney«, sagte sie.
    »Was machst du hier?«, fragte ich.
    Sie zuckte lächelnd die Achseln. »Weißt du, unter diesem Turban wird es manchmal scheußlich heiß, sogar im Winter. Ich bin wie ein Karrengaul, den man immer wieder mal mit kaltem Wasser abwaschen muss.«
    »Das ist bestimmt unangenehm, tut mir leid.« Meine Stimme klang merkwürdig hölzern.
    Sie starrte mich an, von ihren Fingern tropfte Wasser. »Hast du Ärger? Was ist los mit dir?«
    Meine Stimme zitterte, als ich endlich zu reden anfing. »Ich bin nicht dabei. Chip und der Junge spielen mit, aber ich nicht. Louis hat einen anderen Bass engagiert.«
    Sie versteinerte mitten in der Bewegung, ihre Hände auf halbem Weg zum Kopf, ihr Gesicht mir zugewandt. »Oh, Sidney, das tut mir leid, wirklich.«
    Ich sagte nichts.
    »Was hast du jetzt vor?«, fragte sie leise.
    Ich zuckte die Achseln. »Nichts. Das war meine einzige Chance. Was anderes hab ich nicht.«
    »Ach, Sid.«
    »Schau mich nicht so an. Es ist nun mal so.«
    »Sid, es tut mir so leid. Aber es hat bestimmt nichts mit dir zu tun. Bestimmt hat es irgendeinen besonderen Grund, dass Louis sich für jemand anderen entschieden hat.«
    Ich lachte gezwungen. »Es ist ja auch nicht so wichtig. Der Junge darf mitmachen, nur darauf kommt’s an, nicht?«
    »Nein, das stimmt nicht, Sid. Obwohl es

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