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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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mich freut, dass er dabei ist.«
    » Natürlich freut es dich!«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Als ob du das nicht selber wüsstest! Du flirtest mit dem Jungen und machst ihm schöne Augen, als ob du was mit ihm anfangen wolltest oder so.« Ich sah sie nicht an, sondern blickte auf den rostigen Abfluss des Waschbeckens, durch den das Wasser rann. Ich glaubte kein Wort von alledem, was ich da redete, aber das war mir egal. Mir war, als wäre mir alles weggenommen worden, als bliebe mir überhaupt nichts mehr.
    Ich sagte: »Wenn du so weitermachst, muss der Junge am Ende noch glauben, dass du wirklich was von ihm willst.«
    Schweigen, nur das Geräusch des Wasserstrahls auf dem Blech des Beckens war zu hören. Sie drehte den Hahn zu.
    »Dass ich was von ihm will?«
    Ich hatte plötzlich ein ganz ungutes Gefühl, das mir sagte, ich sollte endlich die Klappe halten, aber sie machte so ein un
nachgiebig selbstgerechtes Gesicht, dass mich die blinde Wut packte.
    »Wie du dich aufführst, das ist nicht richtig. Es ist einfach nicht richtig. Ich weiß, dass du bloß Spaß machst, dass du nichts Unrechtes im Sinn hast. Ich weiß das, aber andere Leute, was denken die ? Und Hiero selber – jeder sieht doch, dass er mindestens halb in dich verknallt ist. Es ist einfach grausam, ihm falsche Hoffnungen zu machen.«
    Delilah ging in ihr Zimmer. Ihre Finger fassten ganz langsam die Lehne eines eisernen Stuhls. Ihr Gesicht verdüsterte sich. Sie zog den Stuhl zu sich und setzte sich hin.
    Ich starrte sie an, meine ganze Haut brannte. Sie schaute auf ihre Hände. Ihr Gesicht war glatt wie Milch.
    »Delilah?«, sagte ich schließlich.
    Sie hob abwehrend die Hand und ließ sie dann wieder in ihren Schoß fallen. Nach einer Weile blickte sie auf, in ihren Augen einen sonderbar unterirdischen Ausdruck.
    »Wenn ich ihm wirklich das Gefühl gegeben habe, dass ich ihn liebe –« Sie verstummte. »Ich hoffe inständig, dass es mir gelungen ist. Ja, ich habe es versucht. Ich habe mich bemüht mit allen Mitteln. Jemand muss es tun. Siehst du das nicht, Sid? Hast du ihn je richtig angesehen? Er ist ein hilfloser kleiner Junge. Wie eine streunende Katze, die kein Zuhause hat. Du jammerst nur immer, wie schlecht es dir geht, die Sorgen der anderen interessieren dich überhaupt nicht. Er ist ein Kind , und er hat niemanden, der sich um ihn kümmert.«
    Sie starrte mich an, distanziert und beunruhigend kalt. Das Licht in ihren Augen war erloschen. Sie schwieg eine Weile, dann blickte sie auf. »Hiero ist für mich wie ein kleiner Bruder.«
    Ich wusste das. Natürlich wusste ich es. Ich hatte es selbst
vor langer Zeit zu Chip gesagt. Ich fühlte einen schweren Klumpen in meinem Magen, ich hätte mich krümmen mögen, die Hände an den Bauch gedrückt. Mann, ich schämte mich. Mein Kiefer fing zu zucken an, während ich ihr starr in die leeren Augen sah. Und ich erkannte in aller Schärfe, dass sie mich nicht liebte.
    »Lilah«, sagte ich.
    »Geh und mach die Tür zu.«
    Ich musterte sie. Nichts, keine Tränen in ihren Augen, nichts.
    Ich drehte mich um. Noch als ich die Tür schloss, horchte ich angespannt, ob sie mich zurückriefe.
    Sie tat es nicht.

    Glaubte dieser magere deutsche Scheißkerl, er könnte mir alles wegnehmen – die Band, Armstrong, die Plattenaufnahme und sogar Delilah? Sollte mir überhaupt nichts bleiben? Darf einer, bloß weil er ein Genie ist, sich bei anderen Leuten bedienen, wie es ihm passt?
    Ja, ich musste es zugeben. Er war genial, keine Frage. Er taugte mehr als ein halbes Dutzend von meiner Sorte. Es war nicht gerecht. Ich musste mich ohne Ende plagen, damit ich gerade mal zweitklassig spielte, und dieser verdammte Junge stellte sich hin, pustete in seine Trompete, und die sang wie eine Nachtigall. Es ist nicht fair. Die Begabungen sind nicht gleich verteilt. So als ob Gott seinen Sack mit Talenten in irgendeinen Straßengraben geschmissen und gesagt hätte, Bitteschön, Herrschaften, bedient euch. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst – die andern müssen nehmen, was übrig bleibt. Überall sonst im Leben kann man sich was erarbeiten. Aber du kannst dich noch so sehr abrackern, du kriegst dafür kein
Fitzelchen mehr Talent, als du immer schon hattest. Ein Genie wird man nicht, Mann, du bist eines oder eben nicht. Und ich war keins.
    Ich trank alleine an einem der roten Tische in dem Bar Tabac in der Nähe der Wohnung, als Hiero reinkam. Die Frau, der der Laden gehörte, saß hinter der Theke, die Ärmel

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