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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Mann.
    Armstrong zog ein Halskettchen aus seinem Hemdausschnitt. »Kommt mal«, rief er. »Kommt alle mal her.«
    Wir traten näher.
    Es war ein Goldkettchen mit einem Anhänger in Form eines Davidssterns. »Das ist mein Glücksbringer. Ich trage ihn schon immer. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich für die Karnofskys gearbeitet. Das waren Einwanderer aus Litauen. Ich war erst sieben damals, aber ich war nicht blind und sah, mit was für einer Scheiße die Leute zu kämpfen hatten. Und trotzdem waren sie immer, immer nett zu mir. Ich war bloß ein Kind, das ein freundliches Wort brauchte, einfach nur ein bisschen Nettigkeit auf seinem Weg ins Leben. Und das haben sie mir gegeben.«
    Keiner von uns sagte etwas. Hiero schaute Armstrong an, als hätte er alles verstanden.
    »Wir werden dieses Stück machen«, sagte Armstrong. »Wir spielen es. Es ist nicht in Ordnung, was da in Deutschland passiert. Wir nehmen dieses Horst-Wessel-Lied auf Platte auf. Was meint ihr? Wir richten es ein bisschen her, sodass
es hübsch wird. Wir sagen damit der Welt und den Krauts was, das nur wir ihnen sagen können. Wir tun es für euern Kumpel Paul.«
    Sein Blick war auf Hiero gerichtet.
    Dann wandte er sich mir zu, seine Augen leuchteten. »Los, Griffiths, übersetz es ihm.«

    Hinterher auf der windigen Straße lehnte ich meinen Bass an eine Bank. Chip näherte sich mir, als hätte ich die Pest.
    »Was war mit dir los?«, fragte er. Sein Gesicht war lang und grau. Er fingerte an seinen Manschettenknöpfen rum. Er setzte sich nicht hin, als hätte er Angst, sich anzustecken.
    Ich lachte gereizt und blickte auf. »Glaubst du, er wird mich je wieder hören wollen?«
    Chip sah mich lange traurig an. »Ich weiß nicht, Mann. Ich glaube, du hast seine alten Ohren beleidigt. Was ist passiert?«
    »Mann, sind dir noch nie die Nerven durchgegangen?«
    Chip legte mir eine Hand auf die Schulter. Seine Augen waren plötzlich harte schwarze Steine. »Du bist schuld, dass ich ausgesehen habe wie ein Haufen Scheiße«, sagte er leise. »Ich könnte dich in der Luft zerreißen, so eine Stinkwut hab ich.«
    Er drehte sich um, steckte die Fäuste in die Hosentaschen und ging davon in den kalten Nachmittag.
    Ich zitterte vor Zorn und Scham auf dem ganzen Weg durch Montmartre. Die Wohnung war leer. Ich stellte meinen Instrumentenkasten ab, setzte mich hin und starrte an die Stuckdecke.
    Von irgendwo weiter vorn hörte ich ein leises Rumpeln.
    »Lilah?«, rief ich. »Bist du das?«
    »Hier bin ich«, antwortete sie, »in meinem Zimmer.«
    Sie zog gerade einen schwarzen Strumpf an, als ich schleppenden Schritts eintrat.
    »Und?« Sie sah mich an. »Wie war’s?«
    Ich zuckte nur verbittert die Achseln. Ich brachte kein Wort heraus.
    Sie kam her, zog mir den Mantel aus. Dann führte sie mich zu dem Sessel am Fenster, ließ mich im weiß flutenden Sonnenlicht Platz nehmen und strich so sacht, als wischte sie eine Spinnwebe weg, über meine Schläfe. »So schlimm kann es doch gar nicht gewesen sein«, murmelte sie. »Komm, so schlecht war es ganz bestimmt nicht. Wie war Hiero?«
    Ich wich zurück. »Hiero? Scheiße.«
    Sie zog ihre Hand weg. »Sid, was war los?«
    »Es war schlecht.«
    »Was? Du hast schlecht gespielt?«
    »Ich hab nicht schlecht gespielt. Ich hab grauenhaft gespielt.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Du hättest ihre Gesichter sehen sollen, Lilah. Chip hat sich geschämt .«
    Sie zog eine Augenbraue hoch.
    »Was?«, fragte ich.
    »Ich hab nichts gesagt.«
    »Aber du willst was sagen. Du wirst gleich was sagen, das mich auf die Palme bringt, das weiß ich.«
    Sie stand auf.
    »Wo willst du hin?«
    Sie schnaubte. »Wenn du damit fertig bist, dich selbst zu bemitleiden, können wir weiterreden.« An ihrer Frisierkommode blieb sie stehen, drehte sich zu mir um und musterte mich lange. »Also? Bist du jetzt fertig?«
    Ich zupfte an der Hornhaut auf meinen Fingerkuppen. Ich zuckte die Achseln.
    »Gut.« Sie setzte sich und holte tief Luft, als ob sie was sagen wollte. Aber dann legte sie ihre Hand auf mein Handgelenk. Sie fühlte sich kühl und sanft an. »Ich kenne Louis«, sagte sie nach einer Weile. »Er kann einen Musiker besser beurteilen als irgendjemand sonst. Er weiß, dass du gut bist, Sid.«
    »Ich war nicht gut, Lilah. Ich hab gespielt, als wäre ich stockbesoffen.«
    »Aber du kannst gut sein.«
    Ich schüttelte den Kopf, als hätte das gar nichts zu bedeuten.
    »Hat Louis gesagt, er will dich bei der Plattenaufnahme nicht

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