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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Nachsicht mit ihm haben«, sagte ich. »Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen.«
    »Das ist nicht der Teil meines Körpers, um den sie sich Sorgen macht, mein Lieber«, sagte er auf Deutsch.
    Paul schnaubte. Er deutete auf Delilahs Turban und dann auf Chips Kopfverband. »Euch beiden fehlt nur noch ein Kamel.«
    Obwohl Paul deutsch gesprochen hatte, verstand Delilah ungefähr, was er meinte. »Richten Sie Mr Jones aus, dass
ich ihm gern einen Rock von mir leihe, wenn er möchte«, sagte sie.
    »Oh, das wird ihn freuen. Chip sieht richtig süß aus, wenn er einen Rock trägt.«
    Chip ging zu dem Jungen und versetzte dem Sessel ein paar heftige Tritte. »Aufstehen, Mann«, rief er. »Es ist Tag.«
    »Lass ihn doch schlafen«, sagte ich.
    Aber der Junge öffnete bereits seine verschreckten Augen und starrte Delilah an, die vor meinem Sofa kauerte. Sie zwinkerte ihm zu. Verlegen schaute er weg. Als ich ihn so sah, kamen mir die Ereignisse der letzten Nacht plötzlich in ihrer ganzen Brutalität wieder ins Bewusstsein. Ich richtete mich auf und rieb mir das Gesicht.
    »Sie sind also die berühmte Delilah Brown«, sagte Chip. Er setzte sich aufs Sofa gegenüber und legte die Füße, die Knöchel überkreuzt, auf ein verdrecktes Kaffeetischchen. »Die Frau, von der wir seit gestern die ganze Zeit reden, ist die berühmte Delilah Brown. Die große Sängerin Delilah Brown.«
    Ein leichtes Stirnrunzeln war auf ihrem Gesicht zu bemerken.
    »Chip«, sagte ich tadelnd.
    »Wenn Sie fertig sind«, sagte sie, »lassen Sie es mich wissen.«
    »Oh, ich hab gerade erst angefangen.« Chip grinste. »Erst wenn Sie meinen Hinterkopf sehen, bin ich fertig.«
    »Hoffentlich sieht der besser aus als Ihr Gesicht.«
    Ich musste lachen.
    Ich fühlte Chips steinernen Blick. Sein plötzlicher Ärger war so stark, dass ich ihn auf meiner Haut kribbeln spürte. Mein Herz kam aus dem Tritt. Ich warf Delilah einen Blick
zu, aber sie beachtete uns beide nicht mehr. Sie schaute zu Hiero hinüber.
    Chip deutete auf die Papiertüte auf ihrem Arm. »Was haben Sie denn da, berühmte Delilah Brown? Vielleicht Kraftstoff für unsere Motoren?«
    Sie sagte eine Weile nichts, sondern musterte Chip nur mit ihren grünen Augen. Dann lächelte sie – ich sah ihre schiefen kleinen Zähne. »Wir beide, Charles«, sagte sie, »werden bestens miteinander auskommen. Das weiß ich jetzt schon.«
    Chip schwieg etwas verunsichert.
    Sie machte die Tüte auf, zog eine zusammengefaltete Tageszeitung heraus und sechs Marzipanhörnchen.
    »Ah, jetzt ist es richtig.« Chip strahlte. »Woher haben Sie gewusst, dass wir –«
    »Von Ihrem Saxophonisten, von Fritz. Ich hab ihn heute Morgen getroffen, als er aus dem Club rauskam. Er hat mir erzählt, was passiert ist. Er meinte, Sie würden sich vielleicht freuen, wenn Sie was anderes als gesalzene Erdnüsse zu essen kriegen würden.« Sie starrte hinüber zu dem Jungen. Er stand am Spülbecken, drehte den Hahn auf und wartete eine Weile, bis das braune Wasser durchgelaufen war. Dann fing er an, sich zu waschen, sein Gesicht, seine Arme; das Wasser schimmerte wie Silber auf seiner schwarzen Haut. »Geht es ihm gut?«
    »Hiero? Der hat überhaupt nichts abgekriegt. Die verdammten Nazis haben ihn mit Samthandschuhen angefasst.«
    Delilah wirkte nicht überzeugt. Meine kaputten Rippen taten mir wieder weh.
    »Moment mal«, sagte ich. »Sie sind Fritz über den Weg gelaufen? Wo wollte er hin?«
    Aber offenbar ging das irgendwie an ihr vorbei.
    Chip hatte sich bereits ein Hörnchen geschnappt, brach es auseinander und stopfte sich ein Stück Blätterteig in den Mund. Paul grinste mir zu und bleckte fröhlich kauend seine Zähne. Er nahm sich die Zeitung und fing an, sie systematisch zu durchsuchen.
    »Ich bin immer besonders hungrig, wenn ich nicht geschlafen habe«, sagte Chip. »Komisch, nicht?«
    »Nein«, sagte Paul.
    »Wieso hast du nicht geschlafen?«, fragte ich. »Was hast du die ganze Zeit gemacht?«
    »Ich frag mich eher, wieso ihr alle geschlafen habt«, sagte Chip. »Bei dem Krach, den diese Scheißkatze gemacht hat.«
    Hiero trocknete sich mit seinem Hemd ab. Er drehte sich schüchtern zu uns um. »Katze?«
    »Stotter ich, oder was?«
    »Hat er Katze gesagt?«, fragte Paul.
    Ich nickte.
    Chip schaute uns der Reihe nach, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank. »Ja, Katze. Soll ich’s euch buchstabieren? Dieses kreischende Drecksvieh, das die ganze Nacht so einen Heidenlärm veranstaltet hat, dass ich kein Auge

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