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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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zusammen Armstrongs Platten gehört hatten. Und ich musste an diese Verwandten meiner Mutter in Virginia denken,
die wie Gespenster in einer weißen Welt rumschwebten und ständig davor Angst haben mussten, dass die Leute dahinterkamen, dass sie in Wahrheit nur hellhäutige Neger waren.
    Dann hörten wir es. Ein schrilles Krächzen. Es fiel uns an wie ein dunkler Windstoß.
    Chip packte mich am Ärmel. »War das nicht Hiero?«
    Ich horchte. Nichts.
    »Verdammt«, zischte Chip.
    Und dann rannten wir los.
    Keuchend bogen wir um eine Ecke, und ich blieb stehen. Alles verlangsamte sich plötzlich. Mitten auf der Straße, in dem trüben Licht, das aus den Fenstern des Hauses drang, in dem wir wohnten, hatten drei Typen in Nazi-Uniformen Hiero an den Haaren gepackt wie einen Stier bei den Hörnern und versuchten ihn niederzureißen. Aber irgendwie ging Hiero nicht in die Knie, er flatterte nur hin und her wie ein Papierfetzen im Wind. Ein vierter Scheißkerl, ein großer, dicker, hielt Paul im Schwitzkasten. Mir drehte sich der Magen um, ich merkte, wie mir schlecht wurde. Es war, als ginge ein Licht in mir aus.
    »Chip«, keuchte ich, »verdammte Scheiße.«
    Chip hatte sich schon den Hut vom Kopf gerissen und zog seine Jacke aus. Er ging direkt auf einen der Nazi los, duckte sich tief und trat dem Kerl mit aller Wucht gegen das Knie. Ein komisches Knacken war zu hören, gefolgt von einem scheußlichen Kreischen. Und dann fing Chip an, auf den Kerl, der sich am Boden wand, einzutreten. Einer von den anderen Uniformierten drehte sich um, holte aus und haute Chip eine Flasche auf den Kopf. Chip hielt sich den Schädel und ging zu Boden.
    »Verdammt«, zischte ich.
    »Judenschweine!«, schrie der Nazi. »Drecksjuden, Scheißneger!«
    Ich marschierte vorwärts. Ich sah, wie sich im Schatten des Hauses etwas bewegte, ein dunkle Masse, und dann war es, als hätte sich die ganze Haustür losgerissen und stürmte nach vorn: Es war der Große Fritz. Er packte den Kerl, der Paul in der Mangel hatte, am Kragen, hob ihn hoch und schleuderte ihn aufs Pflaster wie einen nassen Sack, dann gab er ihm mit Tritten den Rest.
    Ich ging auf den Typen mit der Flasche los, haute ihm voll eine in die Fresse. Ich versuchte ihn am Revers zu packen, aber er wand sich und spuckte Blut und grub mir seine Fingernägel ins Gesicht. Sein Mund war ein hässliches Loch, aus dem das Blut triefte. »Habt ihr überhaupt keinen Rassenstolz?«, schrie er. »Negerficker! Negerficker! Negerficker!«
    Seine Augen wirkten in dem schummrigen Licht wie gesprungenes Glas.
    Ich schlug noch einmal zu. Und noch einmal. Dann traf mich etwas in die Rippen, und ich wurde panisch, wand mich, um irgendwie den verdammten Stiefeln auszuweichen, die jeden Moment auf mich eintreten mussten. Ich hörte den Jungen kreischen, er kreischte die ganze Zeit. Die Tritte blieben aus. Ich zuckte zusammen, blickte auf. Da stand der große Fritz. Er zitterte.
    »Mann, Fritz, altes Scheißhaus«, schrie ich. »Wo du hinhaust, wächst echt kein Gras mehr.«
    Aber als er den Kopf drehte, sah ich, dass ihm Tränen runterliefen.
    Aus dem Dunkel hallten Schritte. Ich rappelte mich stöhnend auf. Ich konnte nicht klar denken. Da kamen noch drei Kerle angerannt, alle in Zivil, aber sie hatten Schaftstiefel an.
    Ich bewegte mich nur noch langsam und ungeschickt. Mein erster Schlag ging daneben. Eine Faust haute mir in den Magen und gleich noch einmal. Aber dann traf ich den Kerl genau unterm Kinn, und er ging in die Knie. Doch jetzt war der erste Scheißkerl wieder auf den Beinen. Ich schlug ihm mit aller Wucht ins Gesicht. Etwas knackte unter meinen Knöcheln.
    Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Fritz hinter zwei Kerlen her taumelte, die ins Dunkel davonrannten. Zwei andere Nazis wanden sich wimmernd auf dem Pflaster. Ich bekam keine Luft mehr, klappte zusammen und kotzte. Keuchend und röchelnd stand ich da.
    Dann hörte ich ein Geräusch im Eingang unseres Hauses und hob den Kopf. Ich sah etwas blinken. Den Hals der zerbrochenen Flasche. Jemand hielt ihn an die Kehle des Jungen. »Ich kenn diesen Judenficker«, schrie der Nazi. »Du bist der Kerl von dieser Jazzkapelle, die diese Scheißnegermusik macht. Ich stech dich ab. Ich schlitz dich auf.«
    Aber er schaute dabei Chip an, der unsicher schwankend vor ihm stand. Chips Hemd war hinten voller Blut, es sah aus wie ein schwarzer Latz. Dann duckte er sich, als versuchte er, wieder in ein ruhiges Gleichgewicht zu kommen. Ich zwinkerte, wischte mir

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